Fehler bei Hofburg-Wahl 2016: Strafprozess startet im Juli
„Zwei und zwei ergibt immer vier und nicht fünf“, ist das Credo des Kärntner Richters Christian Liebhauser-Karl. „Das hamma immer schon so gemacht“, erklärten Wahlbeisitzer als nach der Bundespräsidenten-Stichwahl 2016 ans Tageslicht kam, dass jahrelang eine rechtswidrige Praktik bei der Auszählung von Briefwahlstimmen gepflegt wurde.
Dass es eben nicht egal sei, wie ausgezählt wird, hat der Verfassungsgerichtshof mit der Aufhebung des Wahlgangs deutlich gemacht, und auch Richter Christian Liebhauser-Karl wird angesichts der Schlampereien wohl nicht zimperlich vorgehen.
Im Juli dürfte der erste Strafprozess in der Causa in Villach-Stadt starten – und ein „Musterprozess“ für die übrigen rund 200 Beschuldigten werden. Einzigartig ist der Prozess auch deshalb, weil die gesamte Wahlbehörde geladen ist. Die zehn Angeklagten, darunter auch SPÖ-Bürgermeister Günther Albel, sind wegen Falschbeurkundung im Amt angeklagt.
Strenger Richter
Liebhauser-Karl hat sich als strenger Richter beim Hypo-Prozess einen Namen gemacht. Mit Uwe Scheuch und Gerhard Dörfler verurteilte er zwei FPÖ- bzw. BZÖ-Spitzenpolitiker: Beim Urteilsspruch gegen Scheuch in der „Part-of- the-Game“-Affäre sagte der Richter: „Herr Scheuch, Korruption ist ein Geschwür, das den Rechtsstaat bedroht.“ Eine „generalpräventive Sanktion“ sei erforderlich, „um dieses Geschwür zu bekämpfen“.
Ob es auch für die Wahlbeisitzer eine „generalpräventive Sanktion“ geben wird? Christoph Völk, der eine FPÖ-Wahlbeisitzerin verteidigt, hat jedenfalls keine Angst: „Ich bin nicht voreingenommen. Der Richter gilt zwar als streng, aber gerecht, er ist sehr konsequent in der Verfahrensführung. Das kann für meine Mandantin nur zum Vorteil sein“, sagt der Verteidiger selbstbewusst. Seine Mandantin, Isabella Lehner, ist jene Beisitzerin, die die Wahlaufhebung überhaupt erst ins Rollen gebracht hat.
Am Tag nach der Wahl, als die Auszählung der Briefwahlstimmen beginnen hätte sollen, traf Lehner als erste bei der Behörde ein und musste feststellen, dass alle Stimmen bereits ausgezählt waren. Ein Beamter hatte das in den Tagen zuvor erledigt, kein Mitglied der Wahlbehörde war dabei. Für ihn kommt noch ein weiterer Anklagepunkt dazu: Als er im Sommer 2016 vor dem Verfassungsgerichtshof aussagte, soll er „vorsätzlich falsch ausgesagt haben“, heißt es in der Klagsschrift.
Strenger Maßstab
Die Tatsache, dass Lehner bei der Sitzung auf den Fehler aufmerksam gemacht hat, verschärft die Lage ihrer Wahlbeisitzer-Kollegen: Sie unterzeichneten trotz des Hinweises ein Protokoll, wonach alles korrekt abgelaufen ist. Die Erklärung von Albel, der Fehler sei ihm nicht bewusst gewesen, wird von der Staatsanwaltschaft daher als „Schutzbehauptung“ gesehen.
Neun Anklagten wird vorsätzlich falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt vorgeworfen, ihnen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Bei Aufdeckerin Lehner ist der Vorsatz etwas abgeschwächt, ihr Engagement wird sogar in der Anklageschrift hervorgehoben.
Anwalt Völk hofft deshalb auf einen Freispruch. „In Villach fällt eine richtungsweisende rechtspolitische Entscheidung. Wenn man bei einem einfachen Mitglied einer Wahlbehörde einen strengen Maßstab anlegt, muss man damit rechnen, dass sich kaum jemand mehr traut, überhaupt Wahlbeisitzer zu werden. Und schon gar nicht, den Mund aufzumachen, wenn er Missstände beobachtet.“
Meinhard Novak, der Bürgermeister Albel und die SPÖ-Beisitzer verteidigt, hofft auf eine Diversion. „Der Bürgermeister hat den Fehler gemacht, sich auf seine Beamten zu verlassen. Ich sehe aber kein großes Strafbedürfnis der Republik und hoffe, dass der Richter Gnade vor Recht ergehen lässt“, erklärt Novak.