Die Mathematik-Zentralmatura auf dem Prüfstand
Von Lisa Rieger
Bei der Zentralmatura 2018 ist rund jeder fünfte Schüler bei der schriftlichen Mathematik-Klausur gescheitert. An den BHS ist es das bisher schlechteste Ergebnis, an den AHS hat es rund doppelt so viele Fünfer gegeben wie im Vorjahr.
Bildungsminister Heinz (ÖVP) sieht dennoch nicht, dass „der Wurm“ in der Zentralmatura sei. Ministeriums-Sektionschef Andreas Thaller betonte außerdem, dass die Ergebnisse der Mathematik-Matura nach den Kompensationsprüfungen zwar „schon schlechter als im Vorjahr sind, aber innerhalb der üblichen Schwankungsbreite liegen“.
Trotzdem sei es laut Faßmann notwendig, über Fairness zu sprechen. Daher solle „eine ausgiebige Reflexion über die bisherigen Prüfungen“ stattfinden. Inhaltlich werde man sich dabei etwa auf den Katalog der Grundkompetenzen konzentrieren. Dieser ist die Grundlage für die Erarbeitung der Matura-Testbeispiele und besteht derzeit aus 73 Grundkompetenzen an den AHS, aus 51 bis 66 an den BHS. „Sind alle davon noch notwendig? Oder fehlen welche, die eigentlich viel sinnvoller wären?“, fragt Faßmann.
Außerdem wird die Textlastigkeit der Mathematik-Aufgaben kritisch betrachtet. Faßmann kann sich vorstellen, dass diese bereits bei den Prüfungen 2019 zurückgehen werden. Begründet wird dies unter anderem auch damit, dass an Standorten mit vielen Schülern mit nicht-deutscher Umgangssprache deutlich schlechtere Noten erzielt werden als an jenen mit einer geringeren Anzahl. „Es wurde empirisch erhoben, dass lange Texte eine Schwierigkeit darstellen“, sagt Faßmann.
Notenschema
Auch das Notenschema wird einer Analyse unterzogen. Ziel ist es, eine für die Lehrpersonen klarere Entscheidungsgrundlage für die Vergabe von Punkten zu schaffen. Der Fokus soll dabei auf die Kompetenz des Verständnisses gelegt werden. Ein kleiner Rechenfehler solle nicht das positive Ergebnis verhindern.
Überdacht werden soll auch die Vorgabe, dass an den AHS der erste Teil der Mathe-Matura nach zwei Stunden abgegeben werden muss, bevor mit dem zweiten Teil angefangen wird. Vorstellbar sei auch eine stärkere Differenzierung je nach Schwerpunkt an den AHS, wo es derzeit eine einheitliche Mathe-Prüfung für alle gibt. Die Überlegung aber, die bereits mehrmals im Raum stand, am gemeinsamen Aufgabenteil in den BHS zu rütteln (an den BHS gibt es je einen gemeinsamen und einen nach Schultyp getrennten Teil, Anm.), lehnt Faßmann ab: „Wir brauchen einen zentralen, gemeinsamen Kern. Sonst verliert die Zentralmatura ihre Raison d’etre (Anm. Daseinsberechtigung).“ Dass Kompensationsprüfungen auch für andere Noten als Nicht Genügend durchgeführt werden, hält Faßmann für nicht sinnvoll.
Geplant ist ab September eine „Zuhör-Tour“ durch die Bundesländer. Geleitet wird sie vom „sehr erfahrenen“ Kurt Scholz, dem Vorsitzenden des Zukunftsfonds der Republik und einstigem Stadtschulratspräsidenten in Wien. Bei der Tour soll der Kontakt und Dialog mit Schülern, Eltern, Lehrern und der Schulaufsicht gesucht werden „und über alle Druckpunkte gesprochen werden“. Das wird noch vor Weihnachten abgeschlossen. Im Jänner sind Treffen mit Schulsprechern geplant. „Nach einem Jahr wird es bessere Ergebnisse geben als jetzt“, sagte Scholz. Er habe Verständnis für den Frust der Schüler: „Wenn man immer positiv ist und dann bei der Endprüfung negativ, dann ist das für die Schüler überraschend. Und auch für die Lehrer nicht erfreulich.“
Dass die Lehrer eine Mitschuld an den schlechten Mathematik-Ergebnissen tragen würden – das sinkende Mathematik-Niveau der Studienanfänger wurde zuletzt auch vom Vizerektor der Technischen Universität Wien in einem offenen Brief an Faßmann beklagt – sieht Faßmann nicht. Auch der Mathematikunterricht an sich würde vorerst nicht verändert werden.
Schlechte Ergebnisse
Hintergrund der Maßnahmen-Ergreifung sind die schlechten Ergebnisse der diesjährigen Zentralmatura. Hier im Detail: 2018 ist rund jeder fünfte Schüler bei der schriftlichen Mathematik-Klausur gescheitert. An den AHS schrieben rund 22 Prozent einen Fünfer, an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) waren es 19 Prozent. "Gerettet" wurden viele bei der (mündlichen) Kompensationsprüfung: An den AHS besserten sich rund zwei Drittel den Fünfer aus, an den BHS rund drei Viertel.
An den AHS hat es damit rund doppelt so viele Fünfer gegeben wie 2015 und 2017 und praktisch gleich viele wie 2016. An den BHS, wo die Zentralmatura erst ein Jahr später startete, ist es das bisher schlechteste Ergebnis: 2016 waren 13 Prozent der Arbeiten negativ, 2017 neun Prozent.
Die Bundesländer-Unterschiede sind dabei deutlich: An den AHS lieferten schriftlich Oberösterreich (16 Prozent) und das Burgenland (17 Prozent) die wenigsten Fünfer ab, Salzburg (26 Prozent) und Wien (28 Prozent) die meisten. An den BHS gab es ein etwas anderes Bild: Zwar gab es auch hier in Oberösterreich (15 Prozent) die wenigsten und in Wien (24 Prozent) die meisten Fünfer - allerdings gehörte hier Salzburg (16 Prozent) zu den besten Bundesländern und das Burgenland zu den schlechtesten (23 Prozent).
Was bei den Matura-Ergebnissen noch hervorsticht, ist die geringe Zahl an "Sehr Gut": An den AHS hatten nur neun Prozent einen Einser (2017: 15 Prozent), an den BHS nur sechs Prozent (2017: elf Prozent). Das entspricht hochgerechnet in einer Maturaklasse von 20 Schülern gerade einmal zwei (AHS) bzw. einem (BHS) "Sehr Gut".
Am schlechtesten fiel die Mathematik-Zentralmatura bei der Berufsreifeprüfung aus (bei der allerdings verhältnismäßig am wenigsten Kandidaten antraten, Anm.). Schriftlich scheiterte dort fast die Hälfte der Schüler (47 Prozent; 2017: 30 Prozent), selbst nach den Kompensationsprüfungen blieb noch ein Viertel auf einem Fünfer sitzen.
Deutsch und Englisch konstant
Kaum Veränderungen gab es dagegen in den anderen großen Zentralmatura-Fächern Deutsch und Englisch: In Deutsch kassierten an den AHS heuer wie im Vorjahr fünf Prozent der Schüler einen Fünfer, nach der Kompensationsprüfung blieb jeweils knapp ein Prozent über. An den BHS scheiterten in Deutsch zunächst knapp sechs Prozent (2017: etwas mehr als vier Prozent), nach den Kompensationsprüfungen war es dann wie 2017 ein knappes Prozent.
In Englisch gab es an den AHS diesmal für acht Prozent einen Fünfer (2017: sieben), nach den Kompensationsprüfungen blieben wie im Vorjahr zwei Prozent darauf sitzen. An den BHS waren die Ergebnisse gegenüber dem Vorjahr praktisch ident (zwölf Prozent Fünfer schriftlich, drei Prozent nach den Kompensationsprüfungen).
Geschlechter-Effekt
Nach Geschlechtern zeigte sich in etwa der übliche Matura-Effekt: In Deutsch schnitten die Mädchen sowohl an AHS als auch an BHS bei den schriftlichen Klausuren etwas besser ab als die Burschen, in Englisch waren die Burschen an den BHS deutlich besser, an den AHS gab es praktisch keinen Geschlechterunterschied. Ein deutlicher Gender Gap war in Mathematik zu verzeichnen: An den AHS schafften immerhin 11,5 Prozent der Burschen einen Einser gegenüber sieben Prozent bei den Mädchen, Fünfer setzte es für 18 Prozent der Burschen und 25,5 Prozent der Mädchen. Noch extremer war die Differenz an den BHS - vor allem bei den Nicht Genügend: Hier fielen die Mädchen (25 Prozent) doppelt so häufig durch wie die Burschen (13 Prozent).
Bei den Schulformen gibt es ebenfalls ein deutliches Bild: An den AHS schnitten wie in jedem Jahr die Langformen besser ab als die Oberstufenreal- und Aufbaugymnasien - am deutlichsten in Mathe (Langform: 19,5 Prozent Fünfer; ORG, Aufbau: 29,5 Prozent). Die Unterschiede waren dabei etwas geringer als 2016 und etwas größer als 2017.
An den BHS gab es deutliche Leistungsdifferenzen bei den Klausuren in Englisch und Mathe: In beiden Fächern lieferten die HTL und Höheren Land- und Forstwirtschaftlichen Schulen die wenigsten Fünfer ab. Die meisten "Fleck" gab es in Englisch mit Abstand an den Bundesanstalten für Elementar- bzw. Sozialpädagogik (BAfEP/BASOP; 20 Prozent), in Mathe lagen die Bundeslehranstalten für wirtschaftliche Berufe (27,5 Prozent), die Handelsakademien (24) und die BafEP/BASOP (23) ähnlich schlecht.