Politik/Inland

Faktencheck: Das bringt die Reform für Patienten und Ärzte

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat die Reform der Sozialversicherungsträger bei ihrer Präsentation am Dienstag als „Struktur- und Verwaltungsreform“ bezeichnet. Es handle sich aber um keine Gesundheitsreform, hielt der Regierungschef fest.

Das bedeutet vereinfacht gesagt zweierlei: Einsparungen durch die teilweise Neuorganisation eines tatsächlich hochkomplexen und kaum zu durchschauenden Systems. Aber noch nicht per se Verbesserungen in den Spitälern, Ambulanzen oder bei den niedergelassenen Ärzten, die kurzfristig bei den Patienten ankommen würden.

Das alles kündigen Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache zwar jetzt schon an. Dennoch bleiben konkrete gesundheitspolitische Fortschritte großteils Zukunftsmusik. Zum Beispiel weil die Spitäler weiterhin in der Hand der Länder sind. Zum Beispiel weil in bestehende Verträge mit den Ärzten nicht eingegriffen werden kann. Zum Beispiel weil die Leistungen nur innerhalb der geplanten Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), sprich bei den Unselbstständigen, harmonisiert werden, nicht aber mit den Beamten oder Selbstständigen.

So bleibt die „größte Reform aller Zeiten“ (Kurz) vorerst nur ein erster Schritt, dem weitere werden folgen müssen. Das hat Strache zugegeben („Es bleibt viel zu tun“).

Auch die kumulierte Einsparung von einer Milliarde Euro bis 2023 ist angesichts der gewaltigen Dimensionen des heimischen Sozialversicherungssystems eine nicht wirklich atemberaubende Summe. Wir reden von 200 Millionen Euro pro Jahr.

Dennoch hat die Zusammenlegung der verschiedenen Kassen naturgemäß auch Auswirkungen auf Patienten und Ärzte, nicht zuletzt soll sich die besagte Milliarde ja später im Gesundheitssystem wiederfinden. Erklärtes Ziel der Regierung ist der Kampf gegen eine Zwei-Klassen-Medizin, die freilich längst Realität ist.

Was ändert sich nun konkret für die Patienten?

Auch wenn viele Details noch offen sind und wohl erst bei der Ausformulierung des Gesetzes bis Herbst festgezurrt werden, hat die Regierungsspitze schon einige Pflöcke eingeschlagen. In erster Linie sollen für alle Versicherten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), also die Unselbstständigen, in allen Ländern die gleichen Leistungen gelten. Dies ist allerdings bereits weitgehend umgesetzt. Die verbliebenen Harmonisierungsschritte – etwa bei Krankentransporten oder Heilbehelfen – müsse nun die Selbstverwaltung der ÖGK umsetzen, sagt Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Nicht harmonisiert werden die Leistungen der ÖGK mit jenen der Sozialversicherung für Selbstständige oder gar der öffentlich Bediensteten. Damit bleibt auch das System der unterschiedlichen Selbstbehalte bestehen.

Ändert sich überhaupt etwas für Patienten?

Ja, aber eher indirekt und wohl erst mittelfristig. Hartinger-Klein nannte die geplante Erhöhung der Zahl der Kassenärzte als eine Wohltat für Patienten. Die Regierung will „weniger Wahlärzte, mehr Kassenärzte“.

Fallen auch die Mehrfachversicherungen weg?

Ja, geplant ist das. Wenn ein Unselbstständiger auch Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit hat und deshalb bei einer Gebietskrankenkasse und zusätzlich bei der Gewerblichen Sozialversicherung angemeldet ist, muss er sich heute zwei Mal versichern. Hier soll es künftig nur einer Versicherung und die Wahlfreiheit für die Betroffenen geben.

Was ändert sich durch die Reform für Ärzte?

Die ÖGK soll in Zukunft österreichweit gültige Rahmenverträge mit der Ärztekammer abschließen. In den Bundesländern dürften aber zusätzlich Detailverträge mit der jeweiligen Landesärztekammer abgeschlossen werden können. Details sind hier aber offen.

Was bedeutet es in der Praxis, wenn die AUVA aufgelöst werden sollte?

Selbst für den Fall, dass die AUVA aufgelöst beziehungsweise in einen anderen Träger eingegliedert, hieße das nicht, dass deshalb Spitäler oder Reha-Einrichtungen der AUVA geschlossen würden. Dies würden nur jene behaupten, die die Reform verhindern wollten, sagt Kurz.

Tatsächlich, meint auch AUVA-Obmann Anton Ofner, dass die zusätzlich zur allgemeinen Milliarde geforderte Einsparung von 500 Millionen Euro darstellbar sei: Wenn nämlich die AUVA die Entgeltfortzahlungen für Arbeitnehmer im Krankheitsfall und die zu geringe Vergütung für Freizeitunfälle bzw. die zu hohen Zahlungen für Arbeitsunfälle abgegolten bekomme.

Und was sagt die Opposition zu alldem?

Die SPÖ kritisiert die Reform erwartungsgemäß scharf und nennt als zentralen Nachteil für Patienten: Wolle die Regierung eine Milliarde einsparen, sei dies nur über Leistungskürzungen zu schaffen, weil die gesamten Verwaltungskosten der Kassen nur bei knapp 500 Millionen Euro liegen.

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