Ex-Ministerin Karmasin steht ab Dienstag vor Gericht: Ihr droht Haft
Am kommenden Dienstag startet am Wiener Landesgericht der Betrugsprozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium. Mit Karmasin steht die erste ÖVP-Spitzenpolitikerin vor Gericht. Ermittlungen gegen weitere Ex-ÖVP-Politiker und Funktionäre von Ex-Kanzler Sebastian Kurz abwärts sind anhängig - dabei geht es auch um das sogenannte "Beinschab-Österreich"-Tool, bei dem Karmasin involviert gewesen sein soll. Die Verhandlung ist auf drei Tage anberaumt, die Urteile sollen am 9. Mai fallen.
Die Umfrageaffäre ist ein anderer Komplex
In der mehrtägigen Verhandlung geht es noch nicht um die Rolle Karmasins in der ÖVP-Umfrageaffäre, sondern um Bezugsfortzahlungen sowie wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Karmasin soll sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll, wobei der angerichtete Schaden zum größten Teil noch vor Einbringen der Anklage gut gemacht wurde.
Tätige Reue?
Für die WKStA liegt allerdings keine tätige Reue vor, da die Rückzahlung dafür zu spät erfolgt sei. Diese Rechtsansicht wird von Karmasins Verteidigern Norbert Wess und Philipp Wolm nicht geteilt, für die Anwälte ist sehr wohl tätige Reue gegeben.
Der zweite Anklagekomplex betrifft drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde" (Anklageschrift).
Angebote jeweils unterboten
Beinschab und die zweite Konkurrentin - gegen beide laufen diesbezüglich abgesonderte Ermittlungen - legten zwischen April 2019 und Juni 2021 Angebote, die Karmasin dann jeweils unterbot. Beinschab und die zweite Meinungsforscherin sind zum zweiten Verhandlungstag am 27. April neben einem Sektionschef und weiteren Vertretern des Sportministeriums als Zeuginnen geladen. Im Falle einer Verurteilung drohen Karmasin und dem mitangeklagten, nach Einbringen der Anklage außer Dienst gestellten Ministerialbeamten bis zu drei Jahre Haft.
Wirtschaftsabteilung überlastet
Die Verhandlung wird übrigens kein Richter aus der Wirtschaftsabteilung des Landesgerichts für Strafsachen leiten. Richter Patrick Aulebauer ist an sich - wie auch Co-Verteidiger Wolm - auf Suchtgift-Delikte spezialisiert, zusätzlich ist er für allgemeine Strafsachen zuständig. Den Karmasin-Akt bekam er nur deshalb zugeteilt, weil die Wirtschaftsabteilung im Grauen Haus derart überlastet war, dass andere Richterinnen und Richter in einem Ausmaß von zehn Prozent ihres Arbeitsumfangs Wirtschaftsdelikte übernehmen mussten. Diese Regelung ist mittlerweile wieder außer Kraft, die Wirtschaftsabteilung ist hinreichend entlastet worden und kann sich wieder vollumfänglich um ihre Sonderzuständigkeit kümmern.