Evangelischer Bischof Bünker: Gleichgeschlechtliche Trauung kommt
In der Diskussion um den Karfreitag sind evangelische Kirchen mit ihren 300.000 Mitgliedern in den Fokus gerückt. Die Debatte um einen ihrer höchsten Feiertage ist aber nur ein Thema, das die Gläubigen bewegt. Der KURIER sprach mit Michael Bünker, dem Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche, über Weichenstellungen, vor denen seine Kirche steht, wie die Frage der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare – und seine Nachfolge.
KURIER: Herr Bischof, wenn man sich die Diskussion um den Karfreitag ansieht, mit den Tauschgeschäften zwischen verschiedenen Feiertagen, kommt einem fast das Bild von Jesus in den Sinn, wie er die Händler aus dem Tempel vertreibt. Wie fühlt man sich als religiöser Mensch, wenn mit einem der höchsten Feiertage regelrecht geschachert wird?
Michael Bünker: Es ist fast die Signatur unserer Zeit, dass Religionen mit ihren Anliegen in gesellschaftliche Interessenskonflikte geraten. Im Fall des Karfreitags geht es um einen Streit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Hier das Religiöse sichtbar zu machen, ist gar nicht leicht.
Die Diskussion begann ja als arbeitsrechtlicher Konflikt und endete damit, dass der EuGH befand, dass die gesetzliche Regelung, wonach der Karfreitag nur für Evangelische ein Feiertag ist, diskriminierend ist.
In dem Rechtsstreit wurde die Evangelische Kirche übrigens nie gehört. All die Jahre nicht. Dass wir jetzt in die Gespräche einbezogen werden, ist ein Fortschritt. Immerhin geht es um ein Herzensanliegen der evangelischen Kirche. Und da nehme ich Bundesminister Gernot Blümel beim Wort, dass niemandem etwas weggenommen werden soll.
Seit diesem Jahr können homosexuelle Paare standesamtlich heiraten. Am 9. März entscheidet die Synode (das sind Parlamente der kirchlichen Selbstverwaltung), ob in der evangelischen Kirche auch eine kirchliche Trauung möglich sein soll. Bis dahin nehmen die einzelnen Pfarrgemeinden Stellung. Zeichnet sich eine Entscheidung ab?
Die Frage beschäftigt alle Gemeinden sehr. Das war zu erwarten. Für viele – vor allem die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe – geht es um zentrale Fragen der Bibel. Es ist jetzt schon klar, dass wir keinen Konsens finden werden. Die Frage ist, wie wir mit dem Dissens umgehen. Wie kann auch die Minderheit zu ihrem Recht kommen? Wie kommen wir mit möglichst wenig Zerwürfnis aus der Sache heraus?
Wie?
Möglich wäre zum Beispiel, dass die einzelnen Gemeinden entscheiden, wie sie das handhaben. Aber es wird eine Grundsatzentscheidung brauchen. Der Trend der Stellungnahmen der Gemeinden ist vorsichtig positiv. Und wir als Synode werden auch eine grundsätzliche Möglichkeit der gleichgeschlechtlichen Trauung vorschlagen.
Wer entscheidet das dann in der Gemeinde? Der Pfarrer oder der Gemeinderat?
Letztlich muss die freie Entscheidung von Pfarrern und Pfarrerinnen wie bisher gewahrt bleiben. In dieser Frage empfiehlt sich aber ganz bestimmt eine enge Abstimmung mit dem Presbyterium, dem Leitungsorgan der Gemeinde.
Ihre Amtszeit als Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche endet im August. Reden wir über Ihren Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin.
Eine Frau wäre ein wichtiges und gutes Zeichen.
Gibt es da eine Person, die Sie sich für die Nachfolge wünschen?
Das entscheidet die Synode am 4. Mai. Dem kann und will ich nicht vorgreifen.
Was wird die große Herausforderung für Ihren Nachfolger?
Einerseits geht es um die Frage, wie es gelingt, in einer zunehmend polarisierenden Gesellschaft ein Brückenort zu sein: verbindend, aber trotzdem mit eigenen Positionen. Die zweite Herausforderung ist die Mitgliederfrage. Wir haben eine demografische Entwicklung, die uns nachdenklich stimmt.
Seit den 70er-Jahren hat die evangelische Kirche in Österreich ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Im Verhältnis weit mehr als die Katholische.
Es ist richtig: Die Kirchenbindung ist bei Evangelischen nicht so stark wie bei Katholiken. Gerade in Städten ist die Austrittsbereitschaft höher. Nicht, dass die Menschen nicht gläubig wären, aber viele Evangelische sind der Meinung, dass sie auch ohne die Kirche gute Christen sein können.
Die größte Zuwanderergruppe in Österreich kommt aus Deutschland, wo rund ein Drittel protestantisch ist. Wirkt sich das auf die evangelische Kirche in Österreich aus?
Das ist eher durchwachsen. Im Westen ist es durchaus spürbar. Aber insgesamt wirkt es sich nicht so aus, wie es sollte. Das liegt vor allem daran, dass viele aus den neuen Bundesländern nach Österreich kommen. Das sind hochgradig entkirchlichte Gebiete. In Sachsen zum Beispiel sind 80 Prozent konfessionslos.
Welchen Ratschlag haben Sie an Ihren Nachfolger?
Man muss gut in der Öffentlichkeit auftreten. Das brauchen die Kirchen heutzutage. Gerade in einer Zeit, wo Werte ins Wanken kommen, gilt es, sich einzubringen. Sehr wichtig ist auch der Kontakt zu den Gemeinden. Ich habe das immer sehr positiv erlebt. Und wichtig sind die Ökumene und der interreligiöse Dialog.
Wie steht es darum?
Die Ökumene läuft sehr gut. Wir haben eine gute Gesprächsbasis mit allen Glaubensgemeinschaften. Kennzeichnend dafür ist die Kirchliche Pädagogische Hochschule, wo Religionslehrer und Religionslehrerinnen acht verschiedener Glaubensrichtungen ausgebildet werden. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass das in Österreich passiert.