Europa-Minister Blümel: "Das Schlepperwesen zerstören"
KURIER: Herr Minister, zentral für die österreichische Präsidentschaft ist der Außengrenzschutz. 10.000 Polizisten sollen bis 2020 für Frontex abgestellt werden. Wie viele Polizisten schickt Österreich?
Gernot Blümel: Wir fordern seit Langem einen EU-Außengrenzschutz, jetzt erkennt das ganz Europa. Frontex wird nicht nur personell, sondern auch finanziell aufgestockt, auch das Mandat wird erweitert, um die Außengrenzen nicht nur auf See, sondern auch am Land zu kontrollieren. Die genaue Ausgestaltung wird noch im Detail definiert.
Schleppern will man das Handwerk legen, heißt es immer wieder. Warum ist noch kein Kartell des Menschenhandels aufgeflogen? Warum gelingt es international kooperierenden Geheimdiensten und Regierungen nicht, Erfolge zu erzielen?
Wir wollen die Geschäftsgrundlage der Schlepper zerstören. Damit wird auch das Sterben im Mittelmeer beendet (allein in diesem Jahr sind rund 1500 Menschen ertrunken, Anm.). Der Anreiz muss wegfallen, dass Flüchtlinge in Nordafrika die Boote von Schleppern besteigen mit dem Kalkül, auf Hoher See gerettet und in die EU gebracht zu werden, wo sie den Asylantrag stellen. Wenn genau das geändert wird und Gerettete wieder zurückgestellt werden, dann ist das Geschäft der Schlepper beendet. Es zahlt sich dann nicht mehr aus, den Weg in die EU zu nehmen.
Verstehen Sie, dass Menschen Mitleid mit Flüchtlingen haben, ihnen helfen wollen und Österreichs Asyl- und Migrationspolitik als zu hart empfinden?
Uns geht es darum, das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Es hat in den vergangenen Jahren schon zu viele Tote aufgrund des Anreizes gegeben, dass es sich lohnt, einen Schlepper zu nehmen in der Hoffnung, im Mittelmeer gerettet und nach Europa gebracht zu werden. Wenn wir diese Praxis beenden, ist das ein Akt der höchsten Humanität. Denn dadurch zerstören wird das Schlepperunwesen und setzen dem Sterben im Mittelmeer eine Ende. Das bedarf einer gemeinsamen Anstrengung aller EU-Staaten.
Sind Sie noch für die Seenotrettung?
Natürlich. Es geht jedoch um die Frage, ob man nach der Rettung automatisch aufs europäische Festland gebracht wird oder zurückgestellt wird in das Herkunftsland in Nordafrika.
Die EU-Kommission hat in ihrem kürzlich vorgelegten Subsidiaritätsbericht keinen Bereich identifiziert, der den Staaten zurückgegeben werden soll. Sind Sie enttäuscht?
Im Gegenteil, ich bin sehr froh über das Ergebnis. Denn der Bericht bestätigt, was wir immer sagen: Es gibt eine zu hohe Regelungsdichte in der EU und man muss dagegen steuern. Vizepräsident Frans Timmermans, der die Task Force leitete, wird zu unserer Subsidiaritätskonferenz nach Vorarlberg kommen. Wir werden auf den Ergebnissen der Task Force aufbauen und Schlussfolgerungen ziehen.
Was soll das Treffen bringen?
Das Bewusstsein, dass Europa subsidiär ist: Nicht alles muss notwendigerweise auf EU-Ebene geregelt werden, sondern Entscheidungen sollen möglichst nah am Bürger getroffen werden. Subsidiarität ist eine Grundlage Europas.
Können Sie Beispiele von Regelungen nennen, die zurück nach Österreich kommen müssen?
Wir haben den Vorschlag eingebracht, dass es künftig ein Primat von Richtlinien vor EU-Verordnungen geben soll. Richtlinien geben Nationalstaaten bei ihrer Umsetzung einen Spielraum, Verordnungen sind unmittelbar anzuwenden.
Sie sagen, dass Sie das Weißbuch zum Brexit genau prüfen wollen. Was missfällt Ihnen an den Vorschlägen zum Brexit?
Heute, Freitag, werden wir gemeinsam als EU-27 einen Artikel 50-Rat (Artikel 50 des EU-Vertrages regelt den Austritt eines Landes, Anm.) abhalten. Wir werden die Vorschläge der Briten diskutieren. Bis dato konnten wir schwer verhandeln, weil von Seiten Großbritanniens nichts Konkretes vorlag.
Bis Oktober müssen die Verhandlungen beendet sein, um den Austritt Ende März 2019 zu vollziehen. Klappt das?
Wir müssen alles dafür tun, während unserer EU-Präsidentschaft den Scheidungsvertrag zu definieren, das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien zu regeln.
Worauf würden Sie wetten: Eine Verhandlungslösung oder ein harter Brexit?
Ich wette nicht, wir arbeiten daran, ein Ergebnis zu erzielen, das beiden Seiten Rechtssicherheit bringt. Aber das ist keineswegs gesichert, auch ein No Deal ist nicht vom Tisch.
Was wollen Sie als Europa-Minister erreichen? Was soll nach sechs Monaten Präsidentschaft gesagt werden?
Dass wir eine professionelle und erfolgreiche Präsidentschaft hatten und unser Motto, „Ein Europa, das schützt“, in der Flüchtlingspolitik, in der Sicherung des Wohlstandes, dem Ausbau des digitalen Binnenmarktes und bei der Stabilität am Westbalkan umgesetzt haben.
Gilt noch das Beitrittsdatum 2025 für die Balkanländer?
Es geht nicht um ein Datum, es ist eine Konditionalität festgelegt. Wenn Bedingungen erfüllt sind, kann der Beitritt erfolgen. Die EU muss klar machen, dass sie die Beitrittsperspektive will.
Sind Sie als Medienminister für strenge Social-Media-Regeln in österreichischen Medien?
Das ist ganz generell eine Konzern-Entscheidung. Die Meinungsfreiheit ist jedoch ein sehr hohes Gut, das es zu schützen gilt.
Was ist Ihr Konzept als Kulturminister: Förderung der Hochkultur oder innovativer, junger und kreativer Projekte?
Das ist für mich kein Entweder-Oder, denn beide Bereiche sind wichtig für unseren Kulturstandort und widersprechen sich nicht. Es gibt einen Auftrag im Gesetz, dass sich der Bund um Projekte von überregionaler Bedeutung kümmern soll. Der Aktionsradius der Bundeskulturpolitik ist somit dahingehend definiert.
Junge Künstler und Theatermacher klagen, sie werden bei Förderungen beschnitten?
Wir haben es geschafft, dass das Budget für den Kunst- und Kulturbereich nicht gekürzt wurde, sondern sogar leicht ansteigt. Ich habe darum gekämpft, dass es zu keinen Kürzungen kommt.
Zur Person:
Geboren 1981. Studium Philosophie und WU-Wien (Mag., MBA).
Karriere Junge VP; gefördert von Michael Spindelegger, Mitarbeiter im Nationalrat, dann im Büro des Außenministers. 2011 im Kabinett Vizekanzler Spindelegger. 2013 ÖVP-Generalsekretär. 2015 Wiener VP-Chef. 2018 Kanzleramtsminister (EU, Kunst, Kultur und Medien).