EU unter sich: Brexit-Misere statt neuer Deals am Roten Meer
Von Michael Bachner
Die immer wahrscheinlichere Verschiebung des britischen Austritts aus der Europäischen Union dominierte ein historisches Gipfeltreffen zwischen der EU und den Staaten der Arabischen Liga im ägyptischen Sharm el-Sheikh. Freilich nicht deshalb, weil sich die Araber zuvorderst Sorgen um das künftige Verhältnis zwischen London und der EU machen, sondern weil die Europäer einmal mehr fast nur mit sich selbst beschäftigt sind.
Eigentlich sollte es beim erstmaligen Zusammentreffen der nahezu 50 Staats- und Regierungschefs, Scheichs und Emire am Roten Meer vorrangig um Flüchtlinge, Terrorismus, Menschenrechte, die Kriege und Konflikte in der Region und vor allem auch um die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gehen. Doch es kam anders als das Gipfel-Motto: „Investieren in Stabilität“ vermuten ließ.
Und das hatte durchaus praktische Gründe: Da die gesamte EU-Führungsriege mit Ausnahme von Frankreichs Emanuel Macron auf die Sinai-Halbinsel gekommen war – auch Großbritanniens Theresa May –, wurde die zweitägige Konferenz kurzerhand zu einem de facto EU-Sondergipfel in Sachen Brexit umfunktioniert.
Wege aus der Sackgasse
Warum nicht die warme Wintersonne unter Palmen nutzen, um einen Weg aus der Brexit-Sackgasse zu finden? Anders formuliert: Statt in Ägypten harte Deals in Sachen Wirtschaft oder Migration einzufädeln, versuchten Juncker, Merkel & Co ein weiteres Mal das Drohszenario eines harten Brexits abzuwehren.
Die Verschiebung des Austrittsdatums über Ende März hinaus, als Alternative zu einem ungeordneten Austritt der Briten, wird auch von Kanzler Sebastian Kurz klar befürwortet, wie er Medienvertretern vor Ort sagte. „Verschieben ist besser, als einen Hard-Brexit hinzunehmen“, sagt Kurz. Den ungeordneten Austritt zu verhindern, müsse „oberstes Ziel“ sein.
Völlig offen ist freilich, was Theresa May zurück mit nach London nehmen kann, um dort eine erneute Abstimmung über den EU-Austrittsvertrag zu gewinnen. Alles spießt sich wie gehabt an der Irland-Grenzfrage. Jetzt sind kreative Lösungen gefragt, hieß es am Rande des Gipfels.
Verfahrene Themen
Das stimmt sicher auch für andere verfahrene Themen. Ein Beispiel: Die Staaten Nordafrikas sollen mehr in Europa abgewiesene Flüchtlinge zurück nehmen, fordern Kurz und andere EU-Vertreter. Gleichzeitig lehnt es gerade auch die heimische Regierung ab, IS-Rückkehrer und ihre Angehörigen zurück zu nehmen und sie vor österreichische Gerichte zu stellen.
Das alles findet sich nicht in der Abschlusserklärung von Sharm el-Sheikh. Das wäre gegen jede diplomatische Usance. Zu finden ist dort vor allem der beiderseitige Wille zu einer vertieften Kooperation. Okay. Kritiker sagen dazu: Die EU will keine Flüchtlinge und lässt sich dafür mit Machthabern ein, die öfter schon Auslöser von Flüchtlingsströmen und wirtschaftlichem Niedergang waren.