Ethik wird ab Herbst nun auch im Religionsunterricht unterrichtet
Von Bernhard Gaul
Es ist ein hochkarätiges Panel, das an diesem Montagmorgen zusammentrifft, um eine gemeinsame Erklärung abzugeben:
Eingeladen hat Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, zum Minister gesellen sich: der katholische Bischof Wilhelm Krautwasch, Ümit Vural, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft, Rabbiner Schlomo Hofmeister, IGGÖ, und Metropolit Arsenios Kardamakis.
Mit den Religionsgemeinschaften wurde vereinbart, dass in ihren Lehrplänen ethische Fragen abgebildet werden. Dazu bekennen sie sich in einer gemeinsamen Erklärung mit Bildungsminister Heinz Faßmann, um die Schülerinnen und Schüler „zu verantwortungsbewusster gesellschaftlicher Mitgestaltung zu ermächtigen“, so die Erklärung (im Wortlaut weiter unten im Text).
Worum geht es?
In Österreich gab es einen Durchbruch, nach zwanzig Jahren Ethikunterricht, der bisher nur als Schulversuch stattfinden konnte, wird Ethik ab Herbst ein Pflichtfach – aber nur für jene, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben.
Damit dennoch auch im Religionsunterricht über wesentliche ethische Fragen diskutiert werden kann, stellen die Religionsgemeinschaften die ethischen Fragen ihrer Lehrpläne in Handreichungen dar. Diese werden den Lehrkräften zur Verfügung gestellt und vom Bildungsministerium veröffentlicht. Bei der Beantwortung dieser ethischen Fragen werden religionsspezifische Sichtweisen dargestellt, aber auch die Sichtweisen anderer Religionen und die des staatlichen Ethikunterrichts. So gelingt es, dass alle Schülerinnen und Schüler mit ethischen Fragen konfrontiert werden, egal, ob sie am Ethikunterricht oder am Religionsunterricht teilnehmen. Ethik- und Religionsunterricht werden zum Teil inhaltlich aufeinander abgestimmt.
Verein "Religion ist Privatsache" wenig begeistert
Der KURIER bat Eytan Reif, Mitglied des Vorstandes der Initiative "Religion ist Privatsache" um eine Stellungnahme. Er zeigte sich in einer ersten Reaktion wenig begeistert vom Vorgehen des Bildungsministeriums.
"Ausgerechnet jetzt, wo Österreichs Gesellschaft so säkular und pluralistisch ist wie nie zuvor, feiert die Katholische Kirche einen ihrer größten politischen Erfolge seit 1945. Ein Erfolg, der allerdings auch eine Bankrotterklärung der Republik darstellt", so der Kritiker Reif, der sich schon lange für einen "Ethikunterricht für alle" einsetzt. "Dieses Ethikunterrichtsmodell, das seit 2009 von der Katholischen Bischofskonferenz unermüdlich lobbyiert wurde, verfolgt nämlich ein einziges Ziel, nämlich die Rettung des Katholischen Religionsunterrichtes – koste es was es wolle. Daran werden noch so viele schöne Worte, feierliche Erklärungen und Pressekonferenzen nichts ändern."
Der "Zwangsethikunterricht" sei "ausschließlich für Religionsverweigerer und ist parteipolitisch motiviert, offensichtlich verfassungswidrig und gesellschaftlich nicht legitimiert." Er werde verhindern, dass Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Weltanschauungen oder konfessioneller Zugehörigkeit sich auf Augenhöhe und im intakten Klassenverband austauschen können. Und er negiere den Pluralismus in Österreich und "wäre einem Ständestaat wesentlich gerechter".
Herr Reif meint in seinem Statement weiter, dass der "religiös und ethnisch diskriminierende Ethikunterricht", der ab Herbst gelten wird, "Teil einer reaktionären Geisteshaltung, die vorwiegend von der ÖVP vertreten wird und die einerseits der gesellschaftlichen Polarisierung und anderseits der Politisierung des Schulsystems verpflichtet ist. Das vom VfGH gekippte Kopftuchverbot oder die politische Provokation Namens „Islam-Landkarte“, um mal nur zwei ähnliche destruktive Beispiele zu nennen, entspringen demselben Gedankengut", so Eytan Reif abschließend.
Wortlaut der Erklärung
GEMEINSAME ERKLÄRUNG
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften geben zu Religionsunterricht und Ethikunterricht folgende gemeinsame Erklärung ab:
Der Religionsunterricht sowie der Ethikunterricht leisten wesentliche, eigenständige Beiträge zur umfassenden Erreichung der Ziele der österreichischen Schule im Sinne von Art. 14 Abs. 5a B-VG. Eine enge Kooperation der beiden Gegenstände wird daher ausdrücklich begrüßt und gefördert.
Der Ethikunterricht soll Schülerinnen und Schüler zu selbstständiger Reflexion im Hinblick auf Wege gelingender Lebensgestaltung befähigen, ihnen Orientierungshilfen geben und sie zur fundierten Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens anleiten. In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen philosophischen, weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Traditionen und Menschenbildern soll der Ethikunterricht einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung leisten.
Im Religionsunterricht verwirklicht die Schule in Form eines eigenen Unterrichtsgegenstandes in besonderer Weise ihre Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten mitzuwirken (Art. 14 Abs. 5a B-VG und § 2 Schulorganisationsgesetz).
Der Religionsunterricht ist konfessionell geprägt und hat im Sinne einer ganzheitlichen Bildung ebenso kognitive, affektive und handlungsorientierte Ziele, die den Schülerinnen und Schülern ermöglichen mit sich selbst, ihrer Religion und anderen Konfessionen vertraut zu werden. Dabei werden viele ethische Themen und Grundfragen im Rahmen des Religionsunterrichts aufgegriffen und behandelt, um Schülerinnen und Schüler zu verantwortungsbewusster gesellschaftlicher Mitgestaltung zu ermächtigen.
Um die inhaltlichen Schnittpunkte von Ethikunterricht und Religionsunterricht hervorzuheben, haben die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften im Rahmen eines umfassenden Prozesses die ethische Dimension in ihren jeweiligen Religionslehrplänen in Handreichungen zusammenfassend dargestellt. Dabei wurde ein Dreiebenen-Aufbau, nämlich „Ich mit mir“, „Ich und Du“ und „Ich mit der Welt“, orientiert am Aufbau des Lehrplans für den Ethikunterricht herangezogen. Die Religionsgemeinschaften werden die Religionslehrerinnen und Religionslehrer auf diese Dimension der geltenden Lehrpläne im Sinne der angesprochenen Kooperation mit dem Ethikunterricht in entsprechender Form hinweisen. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird die Handreichungen zu den ethischen Dimensionen der Lehrpläne für den Religionsunterricht gebündelt veröffentlichen.