Politik/Inland

Estnische Premierministerin in Wien: Plädoyer für Aufrüstung bei Neos

Mit Verweis auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine hat Estlands Premierministerin Kaja Kallas am Donnerstagnachmittag in Wien für höhere Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben nach estnischem Vorbild plädiert. "Freiheit ist eine Sache, über die man nicht nachdenkt, solange sie nicht verloren ist", sagte die liberale Politikerin in einer "Rede an die Freiheit", die die liberale Politikerin auf Einladung der NEOS im österreichischen Parlament hielt.

Alle Inhalte anzeigen

Österreich und Estland seien Mitgliedstaaten der EU sowie der Eurozone, sie teilten eine europäische Freiheit und Solidarität, die auf Demokratie, dem Respekt für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit fußten, erläuterte Kallas. Beide Länder unterstützten eine regelbasierte internationale Ordnung und das Völkerrecht als Schutzschild gegen eine Vision, wo das Recht des Stärkeren gelte und größere Nachbarn ihre kleineren Nachbarn ungestraft überfallen könnten, betonte die Regierungschefin, die am Abend als Gast von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Wiener Opernball besuchen wird.

Für viele habe Freiheit eine andere Bedeutung bekommen, nachdem Russland seinen massiven Überfall auf die Ukraine am 24. Februar vor zwei Jahren begonnen habe, sagte sie. "Die Aggression von Russland erinnert daran, dass man bereit und fähig sein muss zu kämpfen, damit die Freiheit siegen kann", erklärte Kallas. Sie verwies dabei auf eine schmerzhafte Geschichte ihrer Heimat im 20. Jahrhundert: Vor dem Zweiten Weltkrieg habe sich Estland als neutral erklärt und eine Balance zwischen "zwei bösen Imperien" gesucht. Nichtsdestotrotz sei man sowohl von der Sowjetunion als auch von NS-Deutschland besetzt worden.

Aus der eigenen Geschichte habe man gelernt, dass es keine Alternativen zum Kampf für die Freiheit gebe und man auf einen Krieg vorbereitet sein muss, wenn man Frieden wolle. "Estland hat lange Zeit zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgegeben und hat diese Summe nun auf drei Prozent erhöht", sagte sie. Ihre Regierung habe sich zudem verpflichtet, 0.25 Prozent des BIP für die militärische Unterstützung der Ukraine auszugeben. Diese Unterstützung koste freilich Geld und das sei in Ländern wie Österreich mit besseren Nachbarn auch politisch schwierig zu erklären.

"Nukleare Explosion"

Kallas warnte gleichzeitig vor der falschen Hoffnung, dass es bald in der Ukraine Frieden geben könnte. "Wir schulden unserem Volk die Erklärung, dass diese schwierige Sicherheitslage in Europa bleiben wird, wir uns anpassen müssen und darauf konzentrieren, dass die Aggression Russlands mit einer Niederlage endet", betonte sie. Nur so könne garantiert werden, dass die Aggression nicht weitergehe oder anderswo fortgesetzt werde. Sie warnte davor, Russland mit seinem Landraub durchkommen zu lassen und zu hoffen, dass der Appetit dieses Landes danach befriedigt wäre. Wichtig sei zudem, sich nicht durch Drohungen aus Russland und Bilder mit nuklearen Explosionen im russischen Staatsfernsehen Angst einjagen zu lassen.

Dass die Ukraine in den letzten zwei Jahren die Unterstützung der freien Welt großartig verwenden konnte, das Land nunmehr den Status als EU-Beitrittskandidat habe und es gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofs gebe, bezeichnete die Estin als Entwicklungen, die zur Hoffnung Anlass gäben. Sie sprach auch von Entwicklungen innerhalb der G7 und der EU, beschlagnahmtes Vermögen von Russland zum Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Russland müsse auf der internationalen Bühne weiter isoliert werden und die üblichen Geschäfte könne es nicht geben.

"Jeder Euro, der Putins Kriegsmaschinerie unterstützt, hilft, diesen Eroberungskrieg in der Ukraine zu verlängern", erklärte die Estin. Konkrete Kritik an Aktivitäten österreichischer Unternehmen in Russland unterließ sie. Lediglich in einer kurzen anschließenden Diskussion mit NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger und dem NEOS-Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Helmut Brandstätter, scherzte sie über russisches Gas, das im Parlament für angenehme Temperaturen sorgen würde. "Bei uns ist es deutlich frischer", sagte sie und erinnerte daran, dass Estland kein russisches Gas importiert.