Erwin Pröll: "Manfred Deix hätte heute einiges an Futter"
Von Josef Votzi
KURIER: Herr Pröll, was ist Ihr Lieblings-Bild von Manfred Deix?
Erwin Pröll: Es gibt ein wunderschönes Bild, wo Deix ein Foto von ihm mit mir übermalt hat, auf dem wir beide einen Joint rauchen.
In der Realität ist es aber nur bei dem einen oder anderen Achtel geblieben?
Ich war immer Nichtraucher, habe daher auch keinen Joint geraucht. Manfred hat sehr gerne Rotwein getrunken, ich eher Weißwein. Daher galt, wenn wir zusammen waren, Rot Weiß Rot.
Für viele Außenstehende bleibt es überraschend, dass ein konservativer Politiker mit einem anarchistischen Künstler wie Deix befreundet war?
Für mich war es nicht so überraschend. Menschen können sich ja auch jenseits von ideologischen Positionen verstehen. Die erste Voraussetzung dafür ist aber ein ehrlicher Zugang zueinander. Und zwischen dem Manfred und mir hat es von der ersten Sekunde einen sehr ehrlichen Zugang gegeben. Ich war schon lange vor dem ersten Kennenlernen ein Bewunderer seiner Karikaturen.
Waren Sie je ein Opfer seiner Karikaturen?
Nein, und ich bin versucht zu sagen, leider nein, weil ich für ihn keine Deix-Figur war. Bei mir hat für ihn nur meine Frisur etwas hergegeben – laut Deix die steilste Frisur Mitteleuropas. Davon gibt es auch die eine oder andere Karikatur.
Auslöser fürs erste Kennenlernen war, dass Sie Ihren steirischen Parteifreunden den Niederösterreichischer Deix nicht kampflos überlassen wollten?
Ich habe so ums Jahr 2000 herum gelesen, dass die Steirer Manfred Deix intensiver präsentieren wollten. Ich habe gesagt: Das darf doch nicht wahr sein, dass ein Niederösterreicher in die Steiermark abwandert. Da muss es doch eine Möglichkeit geben, ihn stärker an uns zu binden. Ich hatte schon damals im Hinterkopf, dass, ähnlich wie das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover, ein Karikaturmuseum gut zu uns passen würde. Noch dazu, wo wir einige Karikaturisten von Weltruf haben. Manfred und seine Frau Marietta sind sofort auf die Idee angesprungen. Manfred hatte nur einen Wunsch, nämlich, dass Gustav Peichl Architekt eines solchen Hauses sein soll. Aus diesem ersten Treffen ist nicht nur das Karikaturmuseum Krems entstanden, es hat sich auch eine echte Freundschaft entwickelt. Er war im persönlichen Umgang so geradlinig wie in seinen Karikaturen.
Ein Politiker und ein kritischer Karikaturist als Freunde an einem Tisch, wie kann so etwas lange gut gehen?
Im Umgang mit Politikern war Deix eigentlich sehr zurückhaltend. Wir hatten aber immer einen sehr humorvollen Umgang miteinander. Bei unseren Treffen in der Wachau oder in einer Pizzeria in Wien, bei denen öfter auch Gottfried Helnwein und Joschi Bramer dabei waren, hat Politik so gut wie keine Rolle gespielt. Was ich an ihm bewundert habe, aber gleichzeitig erschreckend war, weil es ihm gesundheitlich massiv geschadet hat: Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit zwischen Genie und Wahnsinn. Genial war er in seinen Zeichnungen, an Wahnsinn grenzte sein Arbeits- und Lebensstil. Er hat ja praktisch die Nacht zum Tag gemacht und so Raubbau an seinem Körper betrieben. Gleichzeitig war er ein herzensguter Mensch. Nicht nur gegenüber Tieren wie seinen Katzen, sondern auch bei menschlichen Schicksalen, die an ihn herangetragen wurden.
Deix war in der linken Szene ein Star, in ÖVP-Kreisen aber gefürchtet. Wie oft gab es Vorwürfe, warum Sie ausgerechnet Deix fördern?
Natürlich gab es Vorwürfe und auch die generelle Kritik, warum ich gerade mit den Künstlern so viel Kontakt halte. Die seien doch alle links. Mit diesen Vorwürfen habe ich leben gelernt. Für mich war wichtig, den Diskurs zu pflegen. Ich habe von jedem Gespräch mit einem Künstler etwas mitgenommen, sowohl persönlich als auch für die Politik und die Entwicklung des Landes. So ist auch eine kulturelle Infrastruktur in Niederösterreich entstanden, die ein offenes Klima erzeugt und zudem dem Land durch den Kulturtourismus viel zurückgegeben hat. Wir haben beispielsweise im Karikaturmuseum knapp 100.000 Besucher pro Jahr.
Offenbar ist Deix immer noch aktuell oder besser gesagt zeitlos.
Manfred bleibt zeitlos. Er hat den Menschen einen Spiegel vorgehalten und die österreichische Seele entblättert. Das hat zwar zu großen Irritationen geführt. Aber in der Provokation liegt auch die Chance etwas daraus zu lernen. Auch insofern fehlt Manfred sehr. Ich hoffe aber, dass Karikatur und Satire weiterleben und Deix-Kinder nachwachsen.
Was würde Deix heute besonders aufregen, was ihn besonders amüsieren?
Da hätte Manfred schon einiges an Futter. Zwar würde er meinen Rat nie brauchen, aber ich hätte schon einige Themen parat.
Zum Beispiel?
Sie führen mich in Versuchung, aber ich widerstehe.
Dann frage ich zum Abschluss grundsätzlich: Sie waren 2000 für Schwarz-Blau, bei der Wiederwahl 2002 aber dagegen. Gilt für die jetzige Türkis-Blaue Regierung noch die 2000 vorherrschende These in der ÖVP: Wenn man die FPÖ in die Regierung nimmt, bremst man deren weitere Radikalisierung und Aufstieg?
Grundsätzlich stimmt das weiterhin, sofern man es richtig macht. Ich war 2000 für Schwarz-Blau, weil es sonst zu Neuwahlen gekommen wäre. Und die hätten dann unweigerlich dazu geführt, dass Jörg Haider Bundeskanzler geworden wäre. Durch die Ereignisse in der Folge habe ich dann 2002 gegen die Fortsetzung von Schwarz-Blau gestimmt. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass ein ruppiges Wegstoßen schaden kann. Wenn man sie in die Regierung nimmt, dann muss man überzeugend und bestimmt handeln, indem man radikale Spitzen benennt und auch bricht.
Dass gut integrierte Lehrlinge abgeschoben werden, wird auch von vielen christlich-sozialen Politikern und einigen VP-Landeschefs als eine solche unnötige radikale Spitze gesehen?
Da antworte ich mit einem Erlebnis. Als ich nach meinem Radunfall auf Reha war, sind meine Frau und ich mit einem jungen afghanischen Kellner-Lehrling, der uns exzellent bedient hat, ins Gespräch gekommen: Seine größte Sorge war, dass er abgeschoben werden könnte. Ich kann nur allen raten, sehr genau darüber nachzudenken. Vor allem dann, wenn es um Menschen geht, die festen Willen zeigen, sich zu integrieren – noch dazu in Berufen, in denen ohnehin Mangel herrscht. In der Politik wird es dann problematisch, wenn man nur generalisiert und nicht differenziert.
Ihr Urteil über ein Jahr Regierung Kurz-Strache?
Ich sehe im Moment keinen Anlass, mich zur Tagespolitik zu äußern. Ich warne aber generell vor Zentralisierungstendenzen. Wohin zentralistische Überheblichkeit führen kann, zeigt die „Gelbwesten“-Revolution in Frankreich.