Politik/Inland

Ein Bischof mit Kanten und Volksnähe: "Klartext ist mir wichtig"

Die Prozession fällt an diesem Palmsonntag vor einer Woche ins Wasser. Die Gläubigen huschen bei Nieselregen in die Kirche von Inzing. Drinnen sorgt der Tiroler Bischof persönlich dafür, dass die Stimmung nicht in den Keller geht. Hermann Glettler gibt den Vorsinger für ein lautes "Ho-Ho-Ho-Sanna" und schwenkt dabei seinen Arm.

Mitten in der Menge

Er steht bei seiner Predigt direkt vor den Kirchenbänken. Die nach vorne gerufenen Kinder lassen den Würdenträger kurzfristig hinter einem Dickicht von Palmlatten verschwinden. Der 54-Jährige nimmt es mit Humor. Die lockere Art ist eine der Eigenschaften, die ihn, der im Dezember 2017 zum Bischof geweiht wurde, auszeichnet.

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Glettler ist heute als Einspringer und Troubleshooter in Inzing. Nach einer in der Gemeinde umstrittenen Personalentscheidung ist der Seelsorgeraum zur Zeit ohne Pfarrer. "Ich möchte mich für Mängel in der Kommunikation entschuldigen", sagt er am Ende des Gottesdienstes und lässt dabei einen weiteren Teil seines Amtsverständnisses aufblitzen.

Glettler versteckt sich nicht im Bischofshaus in Innsbruck, sondern geht raus. Das kommt gut an. "Weltoffen", "sympathisch" und "volksnah" lautet das Urteil der Gläubigen nach der Messe.

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Diese Wesenszüge goutiert auch die auf Reformen drängende Vorsitzende der Plattform "Wir sind Kirche", die Tirolerin Martha Heizer: "Er geht auf die Leute zu und redet mit jedem. Das ist schon viel", sagt sie. "Aber er ist sicher kein großmächtiger Reformbischof."

In kirchenpolitischen Fragen fährt Glettler jene Linie, die Christoph Schönborn, Vorsitzender der Bischofskonferenz, vergangene Woche hier aufgezeichnet hat: Die Weihe von Frauen für das Diakonat kann er sich "gut vorstellen". Verheiratete Männer, die sich in ihrem Beruf und persönlichen Umfeld bewährt hätten, zu Priestern zu weihen, "liegt für mich nicht in utopischer Ferne", so Glettler.

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Und der Zölibat? Für Ordensgemeinschaften werde er "immer die Voraussetzung sein. Für Weltpriester sind auch andere Formen denkbar. Grundsätzlich möchte ich jedoch jungen Menschen auch heute diese radikale Lebensform zumuten."

Den Sinn-Nerv treffen

Glettler treibt aber in erster Linie um, wie die Kirche die Menschen besser erreichen kann: "Wir müssen als Kirche vor allem den Sinn-Nerv unser Zeit treffen. Was gibt Hoffnung und wofür lohnt es sich, Zeit und Energie zu investieren? Die Botschaft Jesu sollten wir so bezeugen, dass für die Leute die Lebensrelevanz erfahrbar wird."

 

Das gilt für den Bischof etwa in Hinblick auf Ostern. In einer Zeit, in der Menschen von Ängsten gebtrieben seien, "ist Ostern ein Fest der Zuversicht", sagt Gletter in einer Video-Botschaft an die KURIER-Leser.

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Der Steirer tritt nicht als verzopfter Theologe auf, geht vielmehr unkonventionelle Wege. Etwa wenn er wie im Jänner bei der Heimatbühne See einen Gastauftritt als Bischof im Stück "Don Camillo und Peppone" hinlegt.

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Auch Kontroversen scheut der Bischof nicht und sagt: "Klartext ist mir wichtig." Das gilt etwa bei sozialen Fragen. "1,50 Euro ist ein Hohn", meinte er zuletzt zu Plänen der Bundesregierung, Asylwerbern den Lohn für Hilfstätigkeiten zu kürzen.

"Der Bischof soll kein Oberlehrer sein. Aber wenn es eine gesellschaftspolitische Schieflage gibt, die konkretes Leid verursacht, muss er sich zu Wort melden. Wir können es uns nicht leisten, Menschen in die Armutsfalle zu drängen", erklärt er beim KURIER-Interview im Innsbrucker Bischofshaus.

Der Oberhirte als Künstler

Dort hängt ein Kunstwerk an der Wand, dass diese Geisteshaltung symbolisiert. "Crossfit" ist ein Netzwerk aus Kreuzen. "Tragen und Getragen-Werden ist das Thema. Das Motiv des tanzenden Christus zeigt eine Überwindung des Todes", erklärt Glettler und weiß wovon er spricht. Denn er ist der Künstler. Als solcher hat er kürzlich gerade seine erste Ausstellung in Tirol eröffnet.

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Glettler lässt nicht nur seine Kunst sprechen, sondern auch die Werke von "Kollegen". Und dass darf auch durchaus provokant sein. So konnte etwa die Tiroler Künstlerin Katharina Cibulka im vergangenen Sommer den Innsbrucker Dom mit einem bestickten Vorhang verhüllen. "So lange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist", stand da zu lesen.

In einem Bundesland, in dem sich konservative Katholiken über Jahre über das Kunstwerk "Grüß Göttin" - ein Schild an der Inntalautobahn - empörten, ist die Intervention am Dom durchaus mutig.

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