Drozda: "Lehne Fundamentalopposition ab"
KURIER: Herr Abgeordneter, wie war für Sie der Wechsel vom mächtigen Ministeramt auf die Abgeordneten-Bank?
Thomas Drozda: Ich fühle mich in der neuen Rolle genauso wohl wie in der alten. Und ich habe jetzt ein ähnliches Portefeuille wie als Minister, nämlich Kultur und Medien. Die zehn bis zwölf Termine täglich, die ich als Bundesminister hatte, fehlen mir nicht. Aber ja, es dauert einige Zeit, bis man sich an eine gewisse Entschleunigung gewöhnt hat. Mittlerweile genieße ich es, deutlich mehr Zeit zu haben, um zu lesen, ins Theater und ins Kino zu gehen.
Was bedeutet für Sie die Oppositionsrolle? Ist die SPÖ schon in dieser Rolle angekommen?
Wir sind in der Opposition deutlich besser angekommen als die FPÖ in der Regierung. Es ist interessant zu sehen, dass die Probleme, die wir haben, in der Oppositionsrolle anzukommen, spiegelbildlich zu den Problemen sind, die die Freiheitlichen haben, in der Regierung anzukommen. Ich kann für mich sagen, dass ich die Oppositionsrolle konstruktiv anlege. Ich lehne Fundamentaloppositionsideen ab. Opposition heißt, kontrollieren, kritisieren und die Möglichkeit nützen, viel stärker im Strategischen und Konzeptiven zu arbeiten.
Als Minister legten Sie Wert auf konstruktive Gespräche mit der Opposition. „Auch die Opposition hat gute Ideen, man muss ihr zuhören“, haben Sie gesagt. Besteht jetzt ein konstruktiver Dialog zwischen türkis-blauer Regierung und Opposition?
Ich stelle mit Befremden fest, dass die Regierung kein großes Interesse an Vorschlägen der Opposition hat. Es gibt auch kein Interesse an einem lebhaften Parlamentarismus. Das zeigt die Debatte über den Zwölf-Stunden-Tag. Innerhalb von 14 Tagen wurde eine der wichtigsten Themen des Arbeitsrechts ohne Begutachtung durchgepeitscht, Freund und Feind wurden übergangen. Das ist ein Zeichen, wie diese Regierung denkt und arbeitet. Als Abgeordneter finde ich es besonders bedauerlich, dass der Nationalratspräsident in seiner Rolle bisher nichts anderes als ein Regierungspolitikvollstrecker ist.
Was erwarten Sie von Parlamentspräsident Sobotka?
Zu allererst, dass er seine Rolle als Vertreter des Parlaments überparteilich anlegt und nicht laufend Erfüllungsgehilfe seiner Regierungsfraktion ist. Wie man das macht, kann man historisch ja bei Karl-Heinz Kopf oder Andreas Khol nachsehen. Es gibt eine klare Festlegung: Die Kelsen-Verfassung sieht ein ausgewogenes System von Checks and Balances vor. Dabei spielt der Bundespräsident eine wichtige Rolle. Van der Bellen nimmt diese auch sehr gut wahr. Das zeigt sich jetzt auch in seiner Entscheidung, das CETA-Abkommen nicht sofort zu unterschreiben, sondern das EuGH-Urteil abzuwarten. Das Parlament hat die Rolle zu kontrollieren und Gesetzesentwürfe zu verhandeln. In diesem Punkt hapert es deutlich. Der Bundeskanzler ist die Hälfte der Parlamentstage nicht anwesend.
Essenziell für die Demokratie sind freie, unabhängige Medien. Zuletzt gab es Aufregung um Social-Media-Guidelines im ORF. Sie orteten einen Maulkorb-Erlass. Warum kommen diese Regeln gerade jetzt?
Dass die Regelung jetzt kommt, haben Schwarz-Blau beim ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bestellt. Die öffentlichen Aussagen des Stiftungsrat-Vorsitzenden Norbert Steger sind bekannt, ebenso die Aktivitäten des Leiters des ÖVP-Freundeskreises im Stiftungsrat, Thomas Zach. Und der Generaldirektor hat geliefert. Interessant ist, dass der Kanzler,
der von den ganzen Vorgängen wusste, sich am Tag der Lieferung von der Bestellung distanzierte und gesagt hat, er wäre auch dagegen.
Solche Regelungen sind nichts Ungewöhnliches – oder?
Wenn man das ernst meint, muss man eine breite Diskussion im Unternehmen führen und internationale Beispiele diskutieren. Was hätte den Generaldirektor abgehalten, die Chefredaktion der New York Times oder der BBC zu befragen, die auch Social-Media-Richtlinien haben. Wenn die ORF-Journalisten den Eindruck haben, das ist ein Maulkorb, hat der ORF ein Problem.
Sie waren für die Wiederwahl von ORF-Chef Wrabetz. Bereuen Sie das als SPÖ-Politiker?
Ich bin über seine Amtsführung und die Tatsache, dass er nicht geradlinig für Unabhängigkeit einsteht, enttäuscht. Er ist auf fünf Jahre bestellt, er könnte aufrechten Ganges die Interessen des Unternehmens vertreten. Diesen Eindruck erweckt er nicht durchgehend.
Gibt es in Österreich nicht einen zu großen parteipolitischen Einfluss auf Bestellungen von Spitzenjobs?
Ich glaube, dass der Einfluss der Parteien insgesamt sehr hoch ist. Ich habe mich in meiner Zeit als Minister oft gefragt, warum die Regierung, in der ich mich sehr um Gemeinsamkeit bemüht habe, so schlecht funktioniert? Die Analyse ergibt, das Land ist geteilt. Es gibt zwei Autofahrerklubs, mehrere Sportklubs, mehrere Bergsteiger-Organisationen. Alles ist nach Fraktionen getrennt. Ich halte das im 21. Jahrhundert für seltsam, dass man Freizeitaktivitäten, kulturelle Aktivitäten oder NGO-Aktivitäten in diesem Ausmaß trennt.
Sie sagen, der Parteien-Einfluss ist zu groß. Wollen Sie das ändern, wenn die SPÖ wieder an der Regierung ist?
Was den Einfluss der Parteien auf den ORF betrifft, muss man sagen, dass er zu groß ist. Das muss ich selbstkritisch einräumen. Allerdings bin ich schon der Meinung, dass jeder Eigentümer, auch wenn die öffentliche Hand Eigentümer ist, Verantwortung hat für die Strategie und die
Führung des Unternehmens. Dazu zählt die Entscheidung über Aufsichtsrat, Vorstand oder Geschäftsführung. Letztlich muss es jedem Bundesminister unbenommen sein, in den Unternehmen, für die er die Verantwortung hat, die Personen seines Vertrauens einzusetzen.
Also doch kein Rückzug?
Ich will hier eine klare Unterscheidung treffen: Rückzug der Parteipolitik, aber das kann nicht bedeuten, dass sich eine Regierung von ihrer Eigentümerverantwortung entfernt. Im ORF ist die Eigentümerverantwortung dann bestmöglich wahrgenommen, wenn die Unabhängigkeit des Unternehmens möglichst groß ist, wenn unabhängig berichtet werden kann. Ich glaube, da wäre weniger Parteieneinfluss besser als mehr – und besser als der Status quo. Eine Gesellschaft muss bei der aktuellen Entwicklung der Medienbranche Interesse an einem unabhängigen öffentlichen Rundfunk als Gegenentwurf zu Fake-News-Tendenzen und allem, was sich in den Social-Media-Bereich abspielt, haben.
Eine andere Frage: Wie bewerten Sie den Start des österreichischen EU-Vorsitzes?
Beklemmend und traurig. Wenn man sich drei Tage vor dem Start mit einer bayerischen Provinzregierung in Linz trifft, um dort
die Asyl- und Flüchtlingsproblematik zu besprechen, halte ich das für inadäquat. Man hat den Spin gesehen, der von dort ausgegangen ist. Das Vorsitzland muss ein ehrlicher Makler zu sein.
Thomas Drozda: Manager und Theaterfan
Geboren 1965 in Piberbach, OÖ. Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft in Linz (Mag.).
Karriere 1993–1998 Berater für Wirtschaft und Kultur von Bundeskanzler Vranitzky und Klima. 1998–2008 Geschäftsführer des Wiener Burgtheaters. 2008–2016 Generaldirektor Vereinigte Bühnen Wien. Mai 2016 bis Dezember 2017 Bundesminister für Kunst, Kultur und Medien. Ab Herbst 2017 Abgeordneter zum Nationalrat. SPÖ-Kultur- und Mediensprecher.
Nachgefragt
Wo verbringen Sie Ihren Sommerurlaub?
Bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele, dann einige Tage bei Freunden in Kroatien, dann bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele. Danach in Alpbach, wo der neue Burgtheater-Direktor Martin Kušej Kulturgespräche führt. Am Ende des Sommers bin ich noch einige Tage in Vorarlberg und in der Schweiz.
Welche Lektüre nehmen Sie in den Urlaub mit?
Ich nehme das Buch von David Schalko „Schwere Knochen“ und den neuen Roman von Zadie Smith „Swing Time“ in den Urlaub mit.
Was ist Ihr bevorzugter Sommer-Drink?
Der G’spritzte weiß.
Schreiben Sie im Urlaub Kurznachrichten oder Postkarten?
Kurznachrichten und WhatsApp. Mit den Eltern, die Adressaten für Postkarten wären, telefoniere ich regelmäßig.