Visumpflicht für Georgien und Ukraine fällt im Herbst
Von seinem Büro im 5. Stock des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat man einen fantastischen Blick auf das Brüsseler Europa-Viertel mit dem sternförmigen Gebäude der EU-Kommission und das Bauwerk des Rates aus dunklem Marmor. Hier arbeitet seit gut einem Jahr Thomas Mayr-Harting. Der Spitzendiplomat ist der höchstrangige Österreicher im EU-Außenministerium.
Zuständig ist er für eine ganze Weltregion: Russland, Zentralasien, die Türkei, die östliche Partnerschaft, der Balkan und die Länder Westeuropas, die nicht EU-Mitglieder sind, sowie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gehören zu seinem Aufgabengebiet als Managing Director.
Das Thema Russland und die EU-Sanktionen beschäftigt ihn sehr. "Russland ist ein schwieriger Partner und wird es auf lange Sicht noch bleiben. Zugleich ist Russland aber auch ein wichtiger Nachbar, mit dem die EU in zentralen internationalen Fragen zusammenarbeitet", bemerkt Mayr-Harting. Ob die Wirtschaftssanktionen der EU, die eben erst für sechs Monate bis Ende Jänner 2017 verlängert worden sind, dann aufgehoben oder weiter bestehen bleiben, hänge von der Umsetzung der Minsker Ukraine-Vereinbarung ab. Über die Fortführung der Sanktionen muss von den Mitgliedstaaten einstimmig entschieden werden. Kommt es nicht dazu, laufen sie aus.
Auch wenn die Maßnahmen von den EU-Regierungen unterschiedlich bewertet werden – manche wollen ein rasches Ende der Sanktionen –, "gibt es einen großen Druck für eine konsensuale Lösung", erklärt Mayr-Harting.
Der 62-jährige war bisher in vielen diplomatischen Funktionen tätig, und er gilt als brillanter Analytiker und Redner. Als engster Mitarbeiter des damaligen Außenministers Alois Mock unterstützte er diesen von 1991 bis 1995 bei den österreichischen Beitrittsverhandlungen. Später war er Politischer Direktor im Außenministerium, danach UNO-Botschafter, wo er Österreich zwei Jahre lang im Weltsicherheitsrat vertrat. Von 2011 bis 2015 leitete er die Delegation der Europäischen Union bei den Vereinten Nationen.
Im EAD ist Mayr-Hartings Direktion auch in die bilateralen Verhandlungen mit der Schweiz involviert. Es gibt in Europa auch Mini-Länder, die mehr Integration wollen, nämlich Monaco, Andorra und San Marino. Diese streben die volle Teilnahme am Binnenmarkt an. Ein heikles Thema in der EU ist die Visaliberalisierung. Mayr-Harting geht davon aus, dass im Herbst die Visapflicht für Georgien und die Ukraine aufgehoben wird. Der Kosovo muss dafür noch ein Grenzabkommen mit Montenegro ratifizieren. Die Verhandlungen für die Visafreiheit für die Türkei laufen derzeit noch. Eine wichtige EU-Bedingung ist, dass Ankara seine Anti-Terrorgesetze ändert, was die Türkei aber ablehnt.
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