Der Politiker, der Martinz & Co Haft beschert
Von Birgit Braunrath
Eineinhalb Stunden dauerte am Montag die Urteilsbegründung durch Richter Manfred Herrnhofer: „Wir haben in den Zeugenaussagen erschreckende Zustände festgestellt“, sagte er in Bezug auf die Vorgänge rund um den Verkauf der Landesanteile der Hypo Alpe-Adria durch die Kärntner Landesholding an die Bayerische Landesbank. Der Steuerberater Dietrich Birnbacher hatte den Verkauf „begleitet“ und für ein Gutachten sechs Millionen Euro von der Landesholding kassiert. Die sollten zwischen ihm, der FPK (damals BZÖ) und der ÖVP aufgeteilt werden. Richter Herrnhofer: „Was Haider sagte, da fuhr die Eisenbahn drüber.“ Das Urteil des Schöffensenats überraschte dennoch: Fünfeinhalb Jahre unbedingte Haft für Ex-ÖVP-Chef Josef Martinz; drei, bzw. zwei Jahre unbedingt für die Ex-Vorstände der Landesholding, Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander; drei Jahre, zwei davon bedingt, für Birnbacher (die Urteile sind nicht rechtskräftig, Anm.). Jetzt ermittelt die Justiz in dem Zusammenhang auch gegen die FPK-Politiker Uwe Scheuch und Harald Dobernig. Der grüne Landtagsabgeordnete Rolf Holub, Vorsitzender des zweiten Untersuchungsausschusses, kämpft seit Jahren um die Aufarbeitung dubioser Geschäfte in der Ära Haider. Wie nahm er das Urteil auf? KURIER: Herr Holub, war das Urteil eine Genugtuung für Sie?Rolf Holub: Einerseits dachte ich: „Der Rechtsstaat ist nach Hause gekommen.“ Andererseits hat’s mich doch erwischt, das sind ja Menschen, die ich kenne. Da denkt man: „Was wäre, wenn ich fünfeinhalb Jahre bekäme? Wie geht’s einem da?“ Josef Martinz hat sich laut Anwalt bis Montag auf eine Hütte zurückgezogen, um nachzudenken. Er tut mir menschlich leid, der Josef, wie er da oben auf dem Berg sitzt. Aber ich hätte es gern gesehen, wenn er ein bisschen ausgepackt hätte, so wie Birnbacher. Dann wären wir schon ein Stück weiter in der Katharsis.
Erstaunt Sie die Härte der Urteile? Ich habe mit vier bis fünf Jahren gerechnet. Bei Birnbacher dachte ich, er kriegt nur bedingt.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Josef Martinz? Ich mag ihn. Für mich ist nachvollziehbar, wie er da reingerutscht ist. Wenn Jörg Haider sagte: „Da, unterschreib!“, dann kamst du da nicht so leicht heraus. Martinz war immerhin Landeshauptmannstellvertreter und hätte „Nein“ sagen können. Haider hat alles organisiert und Martinz noch schnell zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Landesholding gemacht. Dann hat er gesagt: „Mach das, du wirst stolz sein.“ Und der war auch stolz, hat gestrahlt wie ein Hutschpferd. Ein Vertreter der Landwirtschaftskammer hat damals gesagt: „Der Haider hat dem Martinz eine Kuhglocke umgehängt und ihn mit dem Wort ,Birnbacher‘ den Hang runtergeschickt.“ Das war die Einschätzung der eigenen Leute. Ist Kärnten anders als der Rest von Österreich? In Kärnten kommt dir das Recht immer nur als Gnade entgegen, ob bei den Ortstafeln, bei den Menschenrechten oder anderswo. Sagen wir es so: Die Grenzen der Moral haben sich nach unten verschoben. Haider hat probiert, wie weit er über Grenzen gehen kann. Auf der Machtebene war er souverän, und die Regulative haben versagt.
Was würden Sie ihm heute sagen? „Zahl zurück!“Lässt sich aus heutiger Sicht überhaupt abschätzen, wie groß der Schaden für das Land sein könnte? Ich kann nur sagen: Bei der Hypo betragen die Non Performing Loans (faule Kredite, Anm.) im Moment 10 Milliarden Euro. Das wird nicht alles auf uns zurückfallen, aber einiges. Die Landeshaftung für die Hypo beträgt noch 17 bis 18 Milliarden. Und die Schuldenpolitik – Haider war ja selbst Finanzreferent – mit damals 300 bis 350 Millionen Zuwachs pro Jahr, da werden wir ungefähr bei drei Milliarden Verschuldung landen, es geht ja noch hinauf, aber nicht mehr so stark.Haben Sie noch Freunde in Kärnten? Jeden Tag mehr. Aber es war nicht immer so.Wie haben Sie den Gegenwind über die Jahre ausgehalten? Mit viel Humor. Dadurch nimmt man immer wieder die Metaebene ein. Würde man sich alles zu Herzen nehmen ... Egal, einer muss es ja machen. Was wäre die Alternative?
Sie haben einst gesagt: „Als Kärntner kannst du auswandern oder deine Magengeschwüre pflegen.“ Oder kämpfen.Haben Sie das Kämpfen je bereut? Klar hätte ich sagen können: „Ich mach’s nicht.“ – Der Vorsitz des Untersuchungsausschusses, das waren sicher noch 40 Arbeitsstunden pro Wochen zusätzlich. Aber wer hätte es dann gemacht? Außerdem war da schon auch Neugier dabei und die Lust, die Großen umzuschmeißen, weil sie so präpotent über alle drüberfahren und sicher sind, es kommt keiner dahinter. Woran merken Sie, dass jetzt „die Freunde zurückkommen“? Plötzlich kommen viele Mails von „Nicht-Grünen“.
Was schreiben die? „Super! Danke! Diesmal wird die ganze Familie grün wählen!“ Bisher kannte ich ja fast jeden Wähler persönlich. Es würde mich freuen, wenn’s mehr werden. Davon ist auszugehen. 2009 hatten Sie fünf Prozent. Im August lagen die Umfragen bei 19 Prozent. Auch das gibt sich wieder. Wenn wir zehn Prozent bekommen, haben wir unser Ziel erreicht.
Gibt es immer noch jene, die Sie „Nestbeschmutzer“ nennen? Sowieso. Aber da hilft mir etwas, das mir der Gerhard Bronner seinerzeit erklärt hat: „Ein leeres Zimmer, die Tür geht auf, einer kommt rein, scheißt auf den Boden, geht wieder. Dann kommt der Zweite rein und sagt: ,Hier stinkt’s.‘ Das ist dann der Nestbeschmutzer.“ Gerhard Bronner war einst Juror des von Ihnen mitinitiierten „Kleinkunst Drachen“, für den Sie 2002 den Landeskulturpreis bekommen sollten. Daraus wurde nichts – und so kamen Sie in die Politik. Genau. Mein Name wurde auf der Liste der Preisträger durchgestrichen, weil Jörg Haider, damals Landeskulturreferent, es so wollte. Mich hat das geärgert, und ich hab gesagt: „Haider als Kulturreferent? Wenn der etwas macht, was er nicht kann, mach ich auch etwas, das ich nicht kann und werde Politiker.“ Hat Haider Sie als politischen Gegner ernst genommen? Je nach Stimmungslage. Weihnachten 2007 hab ich eine böse Rede im Landtag gehalten. Er hatte wieder einen ,Teuerungsausgleich‘ gemacht, ich hab den ,Haider-Ausgleich‘ für alle seine Sünden verlangt. Ab da war er eingeschnappt. Kritik hat er nicht gut vertragen. Der Wind wurde rauer? Da wurde er wirklich rau. „Sucht’s mir was gegen den Holub!“, hieß es. Dann ist man draufgekommen, dass ich schon sehr lange studiere.
Ein relativ geringer Makel im Vergleich zu dem, was derzeit in Kärnten aufgedeckt und verhandelt wird. Ist mit weiteren Verurteilungen, etwa wegen falscher Zeugenaussagen vor dem U-Ausschuss, zu rechnen? Es dürften einige falsche Zeugenaussagen vorliegen. Wir haben alles an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Ich kann nur sagen: Wir haben im Ausschuss alle Zeugen rechtlich belehrt und vereidigt. Hätten wir das mit Kerze, Kreuz und Schwurhand gemacht, stünden auf Falschaussage fünf Jahre Freiheitsentzug. So sind es „nur“ bis zu drei Jahre.
Es ist davon auszugehen, dass nicht nur einzelne schwarze Schafe entdeckt wurden ... Nein. Das ist ein System. Und wenn man das System erst einmal erkannt hat, ist es wie mit einem Umsprungbild, zum Beispiel: „Sehen Sie das Pferd in der Nonne?“ Kennen Sie das? Auch wenn man sich noch so sehr bemüht: Wer es einmal gesehen hat, sieht es immer. So ist es auch mit Gaunereien. Alle schauen gespannt nach Kärnten. Sie treten am Montag in der der TV-Diskussion Pro & Contra auf, das ZDF war dieser Tage bei Ihnen ... Ja, da sind wir ein bisschen Boot gefahren, und ich habe die Wörthersee-Sünden erklärt. Was im Einzelnen? Schloss Reifnitz geht momentan gut, die Flick-Straßenverlegung mit den Grundstücksverhältnissen natürlich auch, dann das Natura-2000-Gebiet Walterskirchen (wegen Verletzung der Naturschutz- und Bauauflagen durch den Eigentümer sind derzeit zwei Verfahren bei der Volksanwaltschaft anhängig, Anm.) oder Wlascheks Schloss Velden. Bleiben wir bei Schloss Reifnitz: Frank Stronachs Magna hat die 63.000 Quadratmeter Seegrund 2005 auf Vermittlung der FPK, damals BZÖ, um sagenhafte 101 Euro pro Quadratmeter gekauft, jedoch nichts von dem gehalten, was Jörg Haider der Gemeinde Maria Wörth versprochen hatte. Vereinbart war unter anderem, dass ein 275-Betten-Hotel mit vielen Arbeitsplätzen entsteht, dass Magna ein Werk in Klagenfurt baut ... Aber das war doch nur die offizielle Version, so war es immer. Das ist wie ein Theaterstück: Vorne auf der Bühne wird „Wir sind super, und der Benefit ist fürs Volk“ gespielt. Und hinter den Kulissen wird das Geld gezählt. Der Steuerzahler zahlt drauf. Es ist immer das gleiche Spiel: Einer kriegt das Geld, und das ist nicht das Volk.Wenn das alles so einfach war, hätten Sie doch locker mitspielen können. Haben Sie das niemals in Erwägung gezogen? Ich bin in einem Alter in die Politik gegangen, da hatte ich schon einen Charakter. Andere waren so jung, als sie Politiker wurden, dass sie bis heute ihren Charakter suchen. Sind Sie der Held von Kärnten? Also das glaub ich nicht. Wenn man schon etwas Besonderes ist, nur weil man nicht korrupt ist, dann wird’s traurig. Haben Sie sich bei den Ermittlungen immer nur sauberer Methoden bedient? Natürlich. Aber ich habe auch Einsicht genommen in Datenräume von Kollegen, etwa beim Untersuchungsausschuss in Bayern, bei denen die Rechtslage eine andere ist. Was war Ihre schlimmste Tat? In Bezug auf was? Kleinkorruption, Anfütterung ... In meinem ersten Jahr als Politiker hab’ ich noch an den Buffets gegessen, jetzt nicht mehr. Weil Sie Angst haben, dass Sie jemand vergiften will? Nein, weil ich zehn Kilo zugenommen habe. Und ich habe mir einmal eine Karte vom ÖFB schenken lassen für ein Fußballspiel Österreich – Slowakei in Klagenfurt. Das ist, glaube ich, das Schlimmste, was man mir vorwerfen kann.
Zur Person: Der Kabarettist als Politiker
Rolf Holub Geb. 1956 in Klagenfurt, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie ohne Abschluss, begann 1997 ein Publizistikstudium, dem noch die Diplomarbeit fehlt. Als Schauspieler und Kabarettist sollte ihm 2002 für den "Kleinkunst Drachen" der Kulturpreis des Landes Kärnten verliehen werden. Kulturreferent Jörg Haider strich ihn aus der Preisträgerliste, weil ihm sein Kabarett missfallen hatte. Daraufhin ging Holub in die Politik, war zuerst für die Grünen im Klagenfurter Gemeinderat, ab 2004 im Landtag, wo er den zweiten Hypo-Untersuchungsauschuss leitete. Ende 2011 trat er als Landessprecher ab, Frank Frey folgte ihm. Bei der Landtagswahl 2013 ist er grüner Spitzenkandidat. Montagabend diskutiert Holub in "Pro und Contra" auf Puls 4 u. a. mit Ex-Justizminister Böhmdorfer.
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Hintergrund
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