"Das Amt erblüht mit seinem Träger"
Von Daniela Kittner
Der Bundespräsident kann den Bundeskanzler oder die gesamte Regierung feuern. Er kann auf Vorschlag einer von ihm eingesetzten Regierung den Nationalrat auflösen. Er ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Das sind die enormen Befugnisse, die die Verfassung dem Staatsoberhaupt einräumt.
In der Theorie. In der Praxis spielen sie keine Rolle. Jedoch tragen diese Paragrafen zur Aura des Amts bei. Ebenso überragt der Bundespräsident andere Politiker, weil er bundesweit als Einziger direkt vom Volk gewählt ist (lokal sind es Bürgermeister inzwischen auch).
Doch was kann dieses Amt wirklich?
Der österreichische Bundespräsident ist in einer Zwischenrolle. Er ist nicht so mächtig wie der französische Staatspräsident, weil er bei uns nicht dem Ministerrat vorsitzt.
„Der Bundespräsident gelobt die Regierung nicht nur an, er ernennt sie. Das ist ein Unterschied.“
Er ist aber auch kein reiner Repräsentant, sondern ein Akteur, "weil er Kanzler und Minister nicht nur angelobt, sondern ernennt. Das ist ein Unterschied", sagt Rechtsprofessor Manfried Welan. Über parlamentarische Mehrheiten kann sich der Bundespräsident bei der Regierungsbildung nicht hinweg setzen, doch bei der Personalauswahl kann er entscheidend mitreden. Beispiel Thomas Klestil: Er musste die schwarz-blaue Regierung aufgrund deren parlamentarischer Mehrheit akzeptieren, doch Wolfgang Schüssel und Jörg Haider mussten hinnehmen, dass Klestil die FPÖ-Politiker Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas als Minister ablehnte.
Diesen Einfluss des Bundespräsidenten auf die Auswahl des Regierungspersonals hat Heinz Fischer entschlossen verteidigt, indem er sich gegen die Einführung von Minister-Hearings im Nationalrat querlegte.
Die Bedeutung des Bundespräsidenten für die Innenpolitik könnte zunehmen, glaubt Welan. Die schrumpfende Macht der Ex-Großparteien, ein aufgefächertes Parteienspektrum, die Aussicht auf bunt zusammengewürfelte Regierungen in Dreierkoalitionen – all das erweitert die Möglichkeiten des Regisseurs im Hintergrund, macht eine lenkende Hand sogar erforderlich. "Es ist die Aufgabe des vom Volk gewählten Bundespräsidenten, die Interessen der Bevölkerung einzubringen und im Sinne der Bevölkerung auf die Regierung einzuwirken", sagt Professor Heinz Nussbaumer, der den Bundespräsidenten Kurt Waldheim und Klestil als Berater diente.
Das Handlungsspektrum des Bundespräsidenten ist laut Nussbaumer groß. "Hinter den Kulissen kann der Bundespräsident fast alles tun. Er kann einen politischen Abtausch einfädeln, er kann verlangen, dass problematische Aussagen wie etwa die von der ,Festung Europa‘ aus dem Repertoire verschwinden." Entscheidend für den Erfolg einer präsidentiellen Intervention sei, dass sie nicht publik wird. Nussbaumer: "Der Bundespräsident darf den Regierungspolitikern ihren Platz vor den Kulissen nicht streitig machen." Er müsse den Mut haben, einzuschreiten, aber auch die Demut, nicht darüber zu reden. Außerdem müsse der Bundespräsident "streng überparteilich" sein.
Die Außen-Repräsentation spielt nur noch eine eingeschränkte Rolle. In EU-Ländern oder Nachbarländern pompöse Staatsbesuche abzuhalten, wirke "antiquiert", sagt Nussbaumer. Wichtig bleibe, dass der Bundespräsident Wirtschaftsdelegationen in staatsdirigistische Länder anführe.
Was würde einen guten, modernen Bundespräsidenten ausmachen?
Nussbaumer: "An Bedeutung gewinnen Reisen zum Zweck, den Blick der Bevölkerung zu erweitern – etwa für Afrika, den Schicksalskontinent für Europa. Der Bundespräsident muss der Bevölkerung erklären, dass in der globalisierten Welt nichts passiert, was nicht Rückwirkungen auf Österreich hat."
Generell sei "Nachdenken und Vordenken" angesagt. Etwa über die österreichische Identität: "Was ist unser Alleinstellungsmerkmal? Worauf wollen wir stolz sein?" Eine zeitlos-wichtige Aufgabe sei: "Der Bundespräsident sollte das Geschick besitzen, im richtigen Moment das richtige Wort zu sagen. Damit kann er sehr viel bewirken." Nussbaumer: "Das Spannende an diesem Amt ist, dass es so wandelbar ist. Es kann mit einem Amtsträger erblühen – oder auch nicht."