Politik/Inland

Covid: Akademie erforscht Zorn und Expertenskepsis

Pandemie. „Das Tückische an traumatischen Ereignissen ist: Wenn man sie nicht aufarbeitet, dann bleiben sie in den Menschen drinnen.“

Es war Mitte Februar, da versprach Karl Nehammer eine professionelle Aufarbeitung der Corona-Krise durch die Regierung. Ziel sei, dass sich die „Gesellschaft wieder versöhnt“, ein „Dialog-Prozess“ beginne nach Ostern.

Die Osterfeiertage sind lange vorbei, insofern stellt sich die Frage: Was geschah bzw. geschieht jetzt eigentlich in der Sache?

Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Pandemie ist die Österreichische Akademie der Wissenschaften, kurz ÖAW, beauftragt. Seit Mai bemüht sich ein Team um den Soziologen Alexander Bogner, die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 zu erfassen und Schlüsse für die Zukunft abzuleiten.

Polarisierung

Die Forscher kümmern sich um vier Fragen: Wie steht es um die Polarisierung in der Pandemie? Welche (Ziel-) Konflikte hat es gegeben bzw. gibt es? Wie gut war die Beratung der Spitzenpolitik und was lief bei der Kommunikation nach außen besser oder schlechter? Und schließlich wollen sich die Experten der auffallend stark in der Bevölkerung verankerten Wissenschaftsskepsis widmen. Hier geht es etwa um die Frage: Warum vertrauen gebildete Bürger angesehenen Institutionen und Wissenschaftern in einer Krise wie der um Covid-19 plötzlich wenig bis gar nicht mehr?

Um Antworten zu finden, erstellen die Wissenschafter Fallstudien und führen Interviews mit Entscheidungsträgern.

Mit ersten Ergebnissen der Aufarbeitung ist Ende des Sommers zu rechnen, heißt es in der ÖAW; endgültige Ergebnisse sollen zum Jahreswechsel vorliegen.

Damit erstens die wissenschaftlichen Standards passen und zweitens auch internationale Erkenntnisse ausreichend einfließen, wurde bei diesem ÖAW-Projekt ein internationaler Beirat eingesetzt. Ihn leitet die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx.

Soviel zum Stand der wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Entschuldigung

Semantisch etwas missverständlich war das im Februar abgegebene Versprechen eines Dialog-Prozesses.

Denn auf Anfrage erklärt das Kanzleramt, dass damit nie eine Tour durch die Länder gemeint war, bei der die Staatsspitze mit Maßnahmenkritikern in einen Dialog einsteigt – oder sich gar für getroffene Maßnahmen und Entscheidungen entschuldigt. „Das wird“, so ein Sprecher des Kanzlers, „in dieser Form sicher nicht kommen.“

Mit dem Dialog-Begriff seien etwa die Fokus-Gruppen des ÖAW-Projekts gemeint, wo repräsentativ ausgewählte Bürger ihre Meinungen loswerden. „Es geht uns darum zu verstehen, was die Menschen verletzt oder verstört hat, damit die Politik besser damit umgehen kann.“

Christian Böhmer