Politik/Inland

Tierschützer im U-Ausschuss: Dicke Luft zwischen ÖVP und Opposition

Der skandalumwitterte Tierschützer-Prozess war heute erstmals großes Thema im BVT-Untersuchungsausschuss. Geladen war der wohl prominenteste Aktivist des Vereins gegen Tierfabriken, Martin Balluch. Er zeigte sich in seinen ausladenden Erläuterungen überzeugt, dass das Verfahren gegen ihn und Mitstreiter politisch motiviert gewesen sei.

Balluch vermutet ein ÖVP-nahes Netzwerk hinter den Ermittlungen gegen die Vereinsmitglieder, die in eine Anklage gemündet hatten, letztlich aber Freisprüche brachten. Balluch entstand trotzdem ein Schaden von gut 500.000 Euro etwa durch Anwaltskosten und für Detektivaufträge, behauptete er vor dem Ausschuss.

Gegenwind unter Schwarz-Blau

Der Gegenwind sei ab 2005 stark geworden, als man das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz durchgesetzt habe und verstärkt auf eine Kampagne gegen Legebatterien gesetzt habe. Sein Vater, selbst im Cartellverband, habe ihn damals gewarnt, dass der CV zusammenstehen werde.

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So ist für Balluch auch kein Zufall, dass die Causa einem an sich unzuständigen Staatsanwalt in Wiener Neustadt zugewiesen wurde, der auch CV-Mitglied ist. Von dem Mann, der als Gruppenleiter der zuständigen Staatsanwältin auch im Zusammenhang mit der BVT-Razzia in Erscheinung getreten war, fühlt sich der VGT-Obmann ohnehin verfolgt. Er warf ihm unwahre und propagandistische Behauptungen vor.

Auch Alt-Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sieht Balluch in die ganze Angelegenheit involviert. Dieser habe angeregt, dem Verein die Gemeinnützigkeit zu entziehen, was letztlich nur von den Beamten verhindert worden sei.

Balluch: Pistole an Kopf gehalten

Besonders ins Visier nimmt der Tierschützer Staatsanwaltschaft und Exekutive. Von den Ermittlungen gegen sich hat Balluch eigenem Bekunden nach erst erfahren, als seine Tür eingeschlagen worden sei und ihm von Maskierten eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. Ein weiterer Vorwurf: Datenbanken und Buchhaltung des VGT seien ohne Grund beschlagnahmt worden: "So läuft das in Russland."

Dabei geht er davon aus, dass von der ÖVP eingewirkt wurde. Es habe ihm ja auch ein Lokalpolitiker der Volkspartei einmal bei einer öffentlichen Veranstaltung ins Gesicht geschlagen. Zudem geht aus Akten hervor, dass der Chef der vom VGT besonders bekämpften Modekette Kleider Bauer direkt beim damaligen Innenminister Günther Platter (ÖVP) zu intervenieren versucht habe.

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Mordermittler für SOKO abgezogen

So habe dann auch der zuständige Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Erik Buxbaum eine Sonderkommission angeregt. Dabei seien sogar Mitarbeiter der Mordkommission abgezogen worden, ärgerte sich Balluch. Überdies habe man bei jeder Demonstration des VGT schwer bewaffnete Beamte aus Sonderheiten abgestellt, um eine besondere Gefährlichkeit der Tierschützer zu suggerieren.

Die ÖVP versuchte bei Balluchs Befragung dann auch die Gewaltbereitschaft des VGT darzustellen. Einig wurde man da mit der Auskunftsperson nicht. Der wollte bei diversen Vorfällen keine Straftaten sehen, sondern legitimen Aktivismus.

Im U-Ausschuss zum Verfassungsschutz gelandet ist die Causa, weil die Opposition das Vorgehen gegen die Aktivisten als Beispiel für die missbräuchliche politische Instrumentalisierung von Behörden darstellen möchte. Der umstrittene Tierschützer-Prozess soll dabei als Paradebeispiel für Machtmissbrauch im Innenministerium vorgeführt werden. Der Vorwurf: Verfassungsschutz und Polizei seien auf Zuruf von ÖVP-nahen Kreisen gegen unbequeme Aktivsten vorgegangen, obwohl strafrechtlich nichts gegen sie vorlag.

Heftige Diskussionen bei Befragung Mosers

Am Nachmittag wurde der frühere Tiroler VGT-Kampagnenleiter Christian Moser befragt. Moser musste nur eineinhalb Stunden Auskunft geben, tat das betont locker und verbrauchte weniger Zeit und Nerven aller Beteiligten als zuvor sein Tierschützer-Kollege Balluch. In der Sache sagte er aber mehr oder weniger das gleiche. Warum er inhaftiert wurde, weiß er bis heute nicht so recht. Der Staatsanwaltschaft warf er parteiisches Vorgehen vor und er vermutet politische Hintergründe.

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Diskussion über "Jäger töten"

Wie radikal er und seine Kollegen waren, darüber gingen die Meinungen vor allem von Moser selbst und der Opposition auf der einen und der ÖVP auf der anderen Seite weit auseinander.

Die ÖVP versuchte mit ihrem Abgeordneten Nikolaus Prinz die Auskunftsperson als radikal darzustellen und warf Moser etwa vor, auf Flugblättern mit dem Text "Jäger töten" zum Töten von Jägern aufgerufen zu haben und eine Anleitung zu Molotow-Cocktails veröffentlicht zu haben. Moser replizierte, nur dargestellt zu haben, dass Jäger Tötungen begehen. Die Molotow-Cocktail-Anleitung wiederum sei Teil einer Kunstaktion gewesen. Insgesamt warb Moser für die Freiheit der Kunst, die oft mit Provokationen arbeite. Er selbst tue das auch in seiner Arbeit als Künstler.

Minutenlang wurde über Wortwahl und Zulässigkeit der Fragen diskutiert. Die Oppositionsparteien warfen der ÖVP vor, die rechtskräftig freigesprochenen Tierschützer noch einmal kriminalisieren zu wollen.

Die ÖVP hielt dem entgegen, dass die im U-Ausschuss erhobenen Vorwürfe der politischen Beeinflussung schwerwiegend seien. Entsprechend wolle die ÖVP mit ihrer Fragestellung den Hintergrund der Auskunftspersonen herausarbeiten.

Die FPÖ hielt sich aus den Streitigkeiten weitgehend heraus. Zum Abschluss ist heute noch Stefan Traxler, einer der Verteidiger im Tierschützer-Prozess, geladen.

"SOKO Bekleidung" und der "Mafia-Paragraf"

Zum Hinterrund: Die "SOKO Bekleidung" ermittelte ab 2006 gegen die Aktivisten rund um den Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT), Martin Balluch, und stufte sie als kriminelle Organisation ein. Balluch und acht weitere Kollegen verbrachten 2008 104 Tage in Untersuchungshaft, ehe sie auf Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien freigelassen wurden. Im März 2010 folgte der Prozess gegen 13 Aktivisten am Landesgericht Wiener Neustadt, der Großteil davon angeklagt nach dem eigentlich gegen organisierte Kriminalität gerichteten "Mafia-Paragrafen". 

Verdeckte Ermittlerin

Dieser (mittlerweile entschärfte) Paragraf stellte die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation unter Strafe, ohne dass konkrete Taten nachgewiesen werden mussten. Sowohl daran als auch an den Methoden der Sonderkommission regte sich im Lauf der 88 Prozesstage immer lautere öffentliche Kritik. Denn neben Lauschangriff, Peilsendern sowie Telefon- und E-Mail-Überwachung hatte die Polizei auch eine verdeckte Ermittlerin ("Danielle Durand") eingesetzt, letzteres den Angeklagten aber verschwiegen. Im Prozess wurden zwar alle Aktivisten freigesprochen. Auf den Prozesskosten blieben sie jedoch sitzen.

Mehr als 500.000 Euro Schaden

Seinen finanziellen Schaden aus der Causa beziffert Balluch mit über einer halben Million Euro. Zu 500.000 Euro Verteidigungskosten - für Anwalt und Privatgutachten - kamen noch einmal mehr als 50.000 Euro für einen letztlich erfolglosen Schadenersatzprozess gegen die Republik, rechnet Balluch dem FP-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein vor. Außerdem hat Balluch einen Privatdetektiv engagiert, um die von der Polizei eingesetzte verdeckte Ermittlerin ausfindig zu machen.

Ursprünglich hatte die Polizei die Existenz der verdeckten Ermittlerin dem Gericht im Tierschützerverfahren verschwiegen. Dass ein "Spitzel" verwendet wurde, habe er erst durch ein Observationsprotokoll erfahren, so Balluch. Der Privatdetektiv habe dann ihre falsche Wohnung und eine falsche Meldeadresse gefunden. Die Aussagen der verdeckten Ermittlerin und einer weiteren "Vertrauensperson" der Polizei seien dann "sehr, sehr positiv" gewesen: "Beide haben uns komplett entlastet." Darauf habe die Richterin das Verfahren beendet und die Angeklagten freigesprochen.

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"Am Beispiel der Tierschützer kann man zeigen, wie das BVT und die Polizei eingesetzt werden können gegen unbescholtene Bürger, gegen Teile der Zivilgesellschaft, deren Meinung man nicht teilt", begründet SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer die Untersuchung der Affäre. Denn das Vorgehen der Tierschützer sei für betroffene Firmen und Politiker zwar unangenehm gewesen, aber nicht verboten. Trotzdem seien sie behandelt worden wie eine Mafia-Organisation und mit den schärfsten Waffen des Rechtsstaats bekämpft worden.

Liste Jetzt zieht Vergleich mit "Sicherungshaft"

Für Alma Zadic von der Liste Jetzt spielt das Thema auch in die Debatte um die von ÖVP und FPÖ gewünschte "Sicherungshaft" hinein: "Das zeigt, was passieren kann, wenn man Personen ohne konkreten Tatverdacht einsperrt." Für Stephanie Krisper von den Neos spiegeln sich im Tierschützer-Prozess auch die im Ausschuss thematisierten "schwarzen Netzwerke" wider, weil die Behörden hier aufgrund der Zurufe ÖVP-naher Personen völlig überschießend agiert hätten.

Prominente Ladungsliste: Mensdorff-Pouilly, Platter, Fekter

Für 12. und 13. März hat der Ausschuss dann unter anderem Peter Graf geladen, den Miteigentümer der Modekette Kleiderbauer. Ihm wirft die Opposition vor, die Ermittlungen mit einem Anruf beim damaligen Innenminister Günther Platter (ÖVP) überhaupt erst ausgelöst zu haben.  Auch der ÖVP-nahe Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly ist nächste Woche geladen. Am 20. März soll laut derzeitigem Stand Platter aussagen, Anfang April dann die Ex-Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und Ex-Justizministerin Maria Berger (SPÖ).

Kleiderbauer wollte dazu auf APA-Anfrage keine Stellungnahme abgeben. Bei der ÖVP hieß es, die "militanten Tierrechtsaktivisten" hätten eine Welle von Vandalismus, Bedrohungen und Sachbeschädigungen ausgelöst. Im U-Ausschuss wolle die ÖVP vor allem das staatsanwaltschaftliche Procedere genau beleuchten.

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