Van der Bellen punktete bei Frauen
Von Bernhard Gaul
Die ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung (1218 Interviews) zeigt, dass nun 100 Prozent (!) der Befragten erklären, dass sie ihre Wahlentscheidungen nicht in den letzten Tagen des Wahlkampfs getroffen haben, sondern durchaus schon vor Längerem. Das letzte, sehr aggressive TV-Duell hatte also offenbar keinen Einfluss mehr auf die Wahl.
Alexander Van der Bellen konnte laut SORA-Analyse einen klaren Sieg einfahren, weil er seine Unterstützer besser für eine Wahl-Teilnahme motivieren konnte als Norbert Hofer. 70.000 seiner Wähler vom Mai gingen diesmal nicht zur Wahl. Auffällig war der Unterschied Männer/Frauen, auch im Vergleich zur Stichwahl am 21. Mai: "Hätten nur Frauen gewählt, hätte Van der Bellen ein Ergebnis jenseits der 60 Prozent", erklärte ORF-Experte Peter Filzmaier. Die Männer wählten mehrheitlich Hofer (56 Prozent), im Mai waren es mit 54 Prozent etwas weniger. Bei den Frauen waren diesmal aber 62 Prozent für Van der Bellen, im Mai waren es 54 Prozent gewesen. Stark punkten konnte der Grüne zudem bei Jugendlichen unter 29 Jahren (58 Prozent). Laut SORA-Analyse konnte dafür Hofer stark bei Österreichs Arbeitern aufholen (plus 14 Prozentpunkte), Van der Bellen beim Öffentlichen Dienst (plus 17 Punkte).
Interaktive Grafik: Wählerströme
Bei den Wahlmotiven zeigt sich, dass die Österreicher Van der Bellen zutrauen, das Land gut im Ausland vertreten zu können. Für mehr als zwei von drei Van-der-Bellen-Wähler war dieser Aspekt ein "sehr wichtiges" Motiv. Auch die pro-europäische Haltung des Ex-Grünen-Chefs war für 65 Prozent wichtig. Wie schon bei der ersten Stichwahl war das Verhindern des anderen Kandidaten für 42 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler ebenfalls Wahlmotiv. 54 Prozent sahen darin auch eine Richtungsentscheidung für Österreich.
Bei den Hofer-Wählern war das Motiv, den Gegner zu verhindern, deutlich weniger stark ausgeprägt. Nur 24 Prozent der Befragten fanden das wichtig. Viel wichtiger war den Wählern des FPÖ-Kandidaten als Wahlmotiv, dass ihr Kandidat die Sorgen der Menschen verstehe (55 Prozent), kompetent sei (ebenfalls 55 Prozent) und gegen das etablierte politische System auftrete (54 Prozent). Für 52 Prozent war ein sehr wichtiges Wahlmotiv, dass Norbert Hofer wichtige Veränderungen im Land anstoßen könne.
Sympathie-Verlust
Der lange Wahlkampf und die harten TV-Duelle haben offenbar Spuren hinterlassen: Im Mai befanden noch 67 Prozent der Hofer- und 50 Prozent der VdB-Wähler Sympathie als wichtiges Wahlmotiv. Am Sonntag sind diese Werte auf 46 Prozent (Hofer) beziehungsweise 37 Prozent (VdB) gesunken. Die Kandidaten büßten auch Glaubwürdigkeit ein, die Umfrage zeigt ein Minus in der Zustimmung von 62 auf 51 Prozent (Hofer) und von 61 auf 50 Prozent beim neuen Bundespräsidenten.
Es zeigte sich aber auch, dass Hofer-Wähler deutlich pessimistischer in die Zukunft blicken. Bei Van der Bellens Wählern waren das weniger als 30 Prozent, bei Hofer-Wählern mit 70 Prozent deutlich mehr. Und wie sich zeigt, war die Motivation für Optimisten, zur Wahl zu gehen, deutlich höher als bei den Pessimisten.