Politik/Inland

Was Sie über Irmgard Griss wissen sollten

Wirklich bekannt wird Irmgard Griss zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten ihren Zenit schon überschritten haben: In ihrer Pension. Überhaupt ist ihr Verständnis von Ruhestand ein seltsames: 2011 tritt sie mit 65 Jahren als Präsidentin des Obersten Gerichtshofs ab, bleibt aber weiterhin Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofs, Honorarprofessorin an der Uni Graz und Vorsitzende der Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte im Sozialministerium.

Und das alles nur, weil sie nicht gut singen kann. Die 1946 im steirischen Bösenbach, Bezirk Deutschlandsberg, geborene Griss wollte eigentlich Lehrerin werden, weil man dafür singen muss, wird sie aber nicht in der Lehrerbildungsanstalt aufgenommen. Warum also nicht stattdessen Jus studieren? Das Studium führt sie von Graz aus nach London, Paris und Harvard, die nachfolgende Karriere über das Handels- und das Oberlandesgericht an den Obersten Gerichtshof, dessen Präsidentin sie 2007 wird. Als erste Frau.

2014, bereits drei Jahre in Pension, wird sie "Spindeleggers Trümmerfrau in der Hypo", wie sie der KURIER damals nennt. Das heißt: Sie wird Chefin der Hypo-Kommission, die das Milliarden-Desaster Hypo Alpe-Adria untersuchen sollte. Das sei eine "Freunderl-Kommission", findet Heinz-Christian Strache (FPÖ), von einem "Weißwaschungsrat" spricht der Grüne Werner Kogler – beide schon vorab.

Österreichische Lösung

Mit dem, was Griss Ende 2014 präsentierte, waren die beiden aber vermutlich glücklicher als Spindelegger (der aber damals schon längst von der Bildfläche verschwunden war): Die Hypo-Verstaatlichung sei keineswegs alternativlos gewesen, resümierte die ehemalige Höchstrichterin streng. "Man könnte sagen, vielleicht war es eine österreichische Lösung, aber eben keine gute Lösung." Und Österreich ist angetan von den klaren Worten.

2014 denkt sie dann selbst laut über eine österreichische Lösung nach: Als gemeinsame Kandidatin von ÖVP und SPÖ, quasi als personalisierte Sozialpartnerschaft, würde sie schon antreten als Präsidentschaftskandidatin. Im Jänner 2015 bezeichnet sie dieses Szenario allerdings als "achtes Weltwunder", eine Kandidatur sei "völlig außerhalb der Realität".

Völlig innerhalb der Realität kündigt sie Ende 2015 trotzdem als Allererste ihre Kandidatur als Unabhängige an. Möglicherweise hauptsächlich, um Queen Elizabeth zu treffen, die ist für sie nicht nur ein Staatsoberhaupt, das seine Rolle gut ausfüllt, sondern auch die Person, auf die sie sich in der Hofburg am meisten freuen würde. Die herrscht schon seit 1952, während Irmgard Griss die erste Frau an der Spitze Österreichs wäre. In den Umfragen ist sie allerdings bisher hinter Alexander Van der Bellen nur Kronprinzessin.