Das militärische Schlusslicht Europas
Nachdem das Bundesheer nach dem Kalten Krieg von 240.000 Soldaten auf 55.000 geschrumpft wurde, begann erst die eigentliche Demontage. Und zwar übers Budget. Jetzt ist es bewegungsunfähig und pleite.
Mit einem Verteidigungsbudget von 0,8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gehörte Österreich schon immer zu den Schlusslichtern in Europa. Doch in den letzten zehn Jahren höhlten die Finanzminister das Budget weiter aus. Wobei sich ihre Beamten durchaus "kreativer" Ideen bedienten. So wurden politisch zugesagte Gelder wie die Einkünfte aus den Kasernenverkäufen und die Refundierungszahlungen der UNO für Auslandseinsätze einfach im Finanzministerium einkassiert. Außerdem wurden zwei Milliarden an diversen "Solidaritätsbeiträgen" einbehalten, was fast einem Jahresbudget entspricht.
Billiglösung
Heute weist das Verteidigungsbudget mit 2,15 Milliarden nur mehr einen BIP-Anteil von 0,66 Prozent aus. Kein anderer europäischer Staat gibt es so billig. Zum Vergleich: Tschechen und Rumänen liegen bei etwa 1,4 Prozent, die Polen geben 1,9 Prozent aus, die Briten 2,4 Prozent. Beim NATO-Gipfel in Wales wurden die Mitglieder auf Verteidigungsbudgets in der Höhe von zwei Prozent am BIP eingeschworen.
Trotz allem gibt es noch immer handlungsfähige Verbände. So stehen zwei moderne Panzergrenadierbataillone jederzeit für Schutzaufgaben bereit. Und in Mautern wurde ein Logistikbataillon für die EU- Battlegroups geschaffen. Jederzeit abrufbar sind 16.000 Berufssoldaten und 10.000 Rekruten. Sie können von 13.000 Milizsoldaten verstärkt werden.
Dann kam aber ein Tiefschlag, mit dem die Generäle nicht gerechnet hatten: Sie sollen aus den aktuellen Doppelbudget weitere 80 Spar-Millionen abliefern. Jetzt können weder Benzin noch Ersatzteile für die Fahrzeuge bezahlt werden.
Dass durch die Pleite nun endlich eine Dienstgradreform möglich wird, die vielen der insgesamt 160 Generaldienstgrade die Ränge kostet, ist nur die kosmetische Korrektur einer schiefen Optik. Denn dabei handelt es sich um Spezialisten wie Techniker und Ärzte, die nachher ums selbe Geld in Zivil weiterarbeiten. Wesentlich schmerzhafter ist der bevorstehende Verlust der Hubschrauberflotte und der Verlust der Mobilität der Truppe. Denn mangels Fahrzeuge müssen die Soldaten zu Fuß gehen. Auch die Attraktivierung des Grundwehrdienstes ist damit Makulatur. Und von den schweren Waffen werden nur mehr wenige zwecks "Kompetenzerhalt" erhalten. Hoffnung ist nicht in Sicht. Denn das Budget 2015 sinkt erstmals unter die magische Zwei-Milliarden-Grenze, was einen BIP-Anteil von 0,59 Prozent bedeutet.
Hoffnung Miliz
Der Abbau der Dienstposten von 24.000 auf 20.000 geht rasant voran. Ersetzt sollen sie durch 24 zusätzliche Milizkompanien zu je 150 Mann werden. Diese können aber nur über Milizübungen aufrechterhalten werden. Diese Übungen hat aber 2004 Kanzler Schüssel gestrichen. Seine Nachfolger stehen nun vor der Entscheidung: Verlängerung der Grundausbildung um einige Wochen für Truppenübungen oder Verkürzung auf fünf Monate mit vier Wochen nachfolgenden Truppenübungen.
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Generalstabschef Othmar Commenda wirft den politisch Verantwortlichen fortgesetzte Verstöße gegen die Menschenrechte vor. Er stützt sich dabei auf ein Urteil eines britischen Gerichtes. Dabei ging es um einen britischen Soldaten, der im Irak in einem ungepanzerten Fahrzeug von einer Bombe getötet wurde. Das Gericht erkannte darin einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) durch den britischen Staat, weil der Soldat mit einer ungenügenden Ausrüstung in den Einsatz geschickt wurde.
Commenda: „Man vergisst scheinbar, dass der Soldat auch ein Bürger ist. Und es ist die höchste Verpflichtung der Politik, Soldaten mit einer adäquaten Ausrüstung auszustatten.“ Bundesheersoldaten verfügen weder über moderne Helme und Splitterschutzwesten, sie haben nicht einmal geeignete ABC-Schutzmasken.
Baustelle MilizGanz schlimm ist es bei der Miliz. Für Milizsoldaten sind nicht einmal ordentliche Regenschutzjacken da. Es gibt in den Bundesländern neun Bataillone, aber nur für ein Bataillon das Gerät. Dieses Gerät wird bei Übungen von einem Bataillon zum nächsten gekarrt.
Dafür wäre sofort ein zweistelliger Millionenbetrag fällig. Genauer beziffern – mit 30 Millionen Euro – lassen sich jene Maßnahmen, die zur versprochenen Attraktivierung des Grundwehrdienstes gebraucht würden.
Nicht finanzierbar ist derzeit auch die Sanierung der Unterkünfte. Die Unterbringung von Rekruten in verschimmelten Ruinen würde man nach Meinung des Wiener Gardekommandanten Stefan Kirchebner selbst Strafgefangenen nicht zumuten. Noch teurer wird der Ersatz der veralteten Hubschrauberflotte. Aber das Stilllegen würde vor allem den Katastrophenschutz schwer beeinträchtigen. Die Nachbeschaffung wird zwar im Regierungsprogramm gefordert, von Geld ist aber auch dort keine Rede. Commenda hält jedenfalls an seiner Forderung fest, die er bereits an den vormaligen Finanzminister Michael Spindelegger gerichtet hatte: „Das Problem des Bundesheeres sind nicht fehlende Konzepte, sondern fehlende Budgetmittel. Und der Einzige, der das ändern kann, ist der Finanzminister.“