Bogner-Strauß: Eine Feministin ohne Kanten
Die Latte liegt verdammt hoch. 99,28 Prozent? Soviel Zustimmung schaffen Politiker heute nur noch in „speziellen“ Regimen – zumal bei Partei- oder Bundestagen.
So gesehen wird die Sache für Juliane Bogner-Strauß am Samstag sicher fordernd. In Graz lässt sich die Frauen- und Jugendministerin zur neuen Chefin der ÖVP-Frauen wählen.
Und an den 99,28 Prozent von Amtsinhaberin Dorothea Schittenhelm wird sich ihre Nachfolgerin zu messen haben; wohl oder übel.
Ist Juliane Bogner-Strauß dem gewachsen?
Jedenfalls ist der Auftritt in der Landeshauptstadt ein Heimspiel. Im Unterschied
zu anderen Quereinsteigern weiß die Steirerin ihre Landespartei – von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer abwärts – hinter sich. Und selbst Bundesparteiobmann Sebastian Kurz rückt an, um seine Ministerin moralisch zu unterstützen.
„Als Kind einer Familie, die von der Landwirtschaft gelebt hat, hat sie sich immer durchsetzen müssen“, erzählt ein Weggefährte. „Noch dazu war sie immer
in Männerfächern. Erst im Weinbau, später im Studium und als Professorin an der TU Graz.“
In der grün-weißen ÖVP gilt Bogner-Strauß als ausgewiesene Bürgerliche.
Bemerkenswerterweise ist es aber genau das, also die stringent wertkonservative Haltung, die Mitbewerber bei der Frauenministerin bisweilen vermissen. „Ich weiß einfach nicht, wofür sie brennt, sie ist ideologisch nicht greifbar in ihren Forderungen“, sagt Neos-Frauensprecherin Claudia Gamon
– die zudem den überparteilichen Konsens vermisst. „Unter Pamela Rendi-Wagner gab es die Tradition, dass sich die Frauensprecherinnen aller Parteien vernetzen und im Sinne der gemeinsamen Sache einstimmig Anträge einbringen.“ Das sei mehrfach passiert, ja man habe sogar gemeinsam Reisen unternommen. „Jetzt“, sagt Gamon, „ist das vorbei.“
Julia Bogner-Strauß, die Einzelkämpferin?
Die frühere SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek steht nicht im Verdacht, die „pragmatische Feministin“ (Bogner-Strauß über Bogner-Strauß) über Gebühr zu schützen.
Heinisch-Hosek „sieht und schätzt“ die Bemühungen der ÖVP-Ministerin, Themen zu platzieren.
Tatsächlich hat sich Bogner-Strauß jüngst als eine der Ersten kritisch zu dem umstrittenen Urteil gegen die frühere Grünen-Mandatarin Sigrid Maurer zu Wort gemeldet; und auch mit dem verpflichtenden Pensionssplitting versuchte sie einen Pflock einzuschlagen.
Laut Heinisch-Hosek bleibt es – vorerst – aber bei Ankündigungen. „Entweder, weil die Ministerin nicht weiß, wie man die Dinge durchbringt – oder weil man sie nicht lässt.“
In der öffentlichen Wahrnehmung ist Bogner-Strauß unauffällig. Zwar rangiert sie im APA-OGM-Vertrauensindex (Saldo Vertrauen/kein Vertrauen) unter den ÖVP-Ministern auf dem letzten Platz. Aber ihr Saldo (plus 1) bedeutet: Zustimmung und Ablehnung halten sich die Waage.
Wie also auffallen? Geht’s nach der Sozialdemokratin Heinisch-Hosek, braucht es „mehr Ecken und Kanten“: „Eine Frauenministerin muss kämpferischer sein, sie muss übertreiben und überzeichnen, damit sich etwas ein paar Millimeter bewegt!“
Wird Bogner-Strauß beim Bundestag der ÖVP-Frauen damit beginnen? Eher nicht. Denn polternd sind sie unerreichbar, die 99,28 Prozent.