Politik/Inland

Billiges blaues Spiel mit der Opferrolle

Auf den ersten Blick ist die Kopf-Prämie ganz ordentlich: 5000 Euro bietet die FPÖ jedem Bürger, der "Beweise" für allfällige Manipulationen bei der Landtagswahl liefert. So steht’s in den Inseraten, die die Freiheitlichen allerorten schalten (siehe rechts). Nun ist es zwar so, dass der Teufel wie immer im Detail steckt – die Prämie winkt nur, wenn der "Tatverdächtige" bei der FPÖ gemeldet und rechtskräftig verurteilt wird.

Dennoch sind 5000 Euro eine Menge Geld. Was wiederum die Frage aufwirft: Wie wahrscheinlich ist es, dass einem wachsamen Bürger ein derartiger Coup gelingt?

Geht’s nach Christine Bachofner, der Leiterin der Wiener Wahlabteilung im Magistrat, sind die Chancen enden wollend. "2010 gab es vor Ort, also in den Wahllokalen, keinen einzigen mir bekannten Vorfall einer möglichen Manipulation", sagt Bachofner.

Mit ein Grund für diese unspektakuläre Auskunft sind die geltenden Gesetze. In jedem Sprengel, sprich Wahllokal, muss von den zwei stimmenstärksten Parteien ein Beisitzer gestellt werden, in den meisten Fällen also von SPÖ und FPÖ. Bachofner: "Ich wüsste nicht, wie die von der FPÖ vermutete Wahlmanipulation passieren sollte. In jedem der 1499 Wahlsprengel ist zumindest ein Beisitzer der FPÖ, der das Ergebnis mit seiner Unterschrift beglaubigt."

Wahlzeugen

Zusätzlich sind in Wien Wahlbeobachter und -zeugen anderer Parteien (Neos, Grüne, ÖVP, Bürgerlisten, etc.) unterwegs, die zwar die Stimmzettel nicht zählen, die Auszählung aber überwachen. Wenn man also an der Integrität der Verwaltung und der (eigenen) Wahlhelfer nicht zweifelt, was ist dann der Sinn der FPÖ-Inserate?

Der unterstellte Wahlbetrug schafft jedenfalls eines: Er reiht sich in eine stringente Selbstdarstellung ein, die die Freiheitlichen als Opfer zeigt. Opfer des Systems, und aller, die ein Teil davon sind: Der regierenden Wiener SPÖ, der - so die FPÖ-Sicht - von ihr gelenkten – Medien; und generell "von denen da oben".

Wenn etwa, wie jüngst passiert, mehrere Privatsender ablehnen, FPÖ-Wahlwerbespots auszustrahlen – dann ist das für Strache "Zensur".Wenn sich Rot oder Grün vorab festlegen, keine Koalition mit der FPÖ einzugehen – dann ist das "Ausgrenzung".

Und jetzt eben die Kopfprämie, die Strache-Sympathisanten suggeriert: Dem System, also der Wiener SPÖ, ist jedes Mittel recht, um an der Macht zu bleiben – selbst Wahlbetrug. Auf seiner Facebook-Seite kommentiert Strache das blaue Plakat genau so: "Wie weit gehen die Mächtigen, um sich im Sessel zu halten?"

Alle gegen uns, wir gegen sie – diese Inszenierung spricht vor allem jene an, die das Gefühl haben, das Leben würde ihnen etwas vorenthalten: Geld, einen Job, eine größere Wohnung usw. (siehe Postings)

Gefangen in der Echo-Kammer

Und hier schließt sich der Kreis zu einem der bevorzugten Medien der FPÖ, dem Internet. Die Blauen nutzen die Möglichkeiten des Netzes geschickt. "Allerdings haben die sozialen Medien in Sachen Meinungsbildung eine Schwäche. "Da Facebook & Co darauf aus sind, User möglichst lange zu halten, liefern sie vorzugsweise Geschichten und Meldungen, die der eigenen Meinung entsprechen. Man sitzt mitunter in einer Echo-Kammer", sagt Yussi Pick, Experte für Online-Kampagnen. Pick: "Die eigene Meinung wird verstärkt, andere Meinungen werden ausgeblendet." Sukkus: "Im Internet ist es schwieriger, widersprechende Meinungen zu finden, als im echten Leben."

Im Mai wurde ein FPÖ-Mann rechtskräftig wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er wollte im Jänner bei den Gemeinderatswahlen in Sonntagberg (NÖ) als Spitzenkandidat antreten und hat drei Dutzend Unterstützungserklärungen im Namen angeblicher Sympathisanten selbst unterschrieben.


Mit dem Vorwurf, für die türkische Community Wahlkarten bestellt und beim Ausfüllen „geholfen“ zu haben, war im Vorjahr ein Salzburger SPÖ-Kandidat konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt; ähnliches haben die Grünen bei der Nationalratswahl 2013 der SPÖ vorgeworfen – geklärt wurde das nie.

Aktuell bekam ein türkischstämmiger ÖVP-Kandidat in Wien von der Parteizentrale einen Rüffel, weil er auf Facebook seine Hilfe anbietet, per Wahlkarte „die richtige Wahl zu treffen“. Als „Hotline“ führt er seine private Handynummer an. „Das habe ich unglücklich formuliert und bereits korrigiert“, erklärt er auf KURIER-Anfrage.