Politik/Inland

Wenn Politiker krank sind

Parlamentspräsidentin Barbara Prammer ist eine rühmliche Ausnahme. Sie ist nicht die erste Politikerin, die in ihrer Amtszeit schwer erkrankte, aber sie ist eine der wenigen, die damit in die Öffentlichkeit gingen. Viele ihrer Kollegen schleppten sich von Termin zu Termin und verschwiegen ihr Leiden – oft, um nur ja nicht von der Macht gedrängt zu werden.

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So litt Bruno Kreisky gegen Ende seiner Amtszeit unter Bluthochdruck und „hing“ regelmäßig an einer künstlichen Niere. Seine Umgebung hielt die Schwächung des Kanzlers geheim, da er sich mit 72 Jahren noch einmal den Nationalratswahlen stellen wollte. Doch die Österreicher erkannten, dass ihr „Sonnenkönig“ 1983 angeschlagen war und versagten ihm erstmals nach zwölf Jahren die absolute Mehrheit.

Mit der linken Hand

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Auch andere Politiker blieben im Amt, ohne die Bevölkerung von ihren Krankheiten zu informieren. Bundespräsident Theodor Körner hatte 1956 einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Er lernte mit der linken Hand zu schreiben, um sein Amt weiterhin ausfüllen zu können.

Kurz nach Körners Tod im Jänner 1957 erlitt auch Bundeskanzler Raab einen Schlaganfall, worauf die beiden wichtigsten Positionen im Staat monatelang vakant waren. Julius Raab erholte sich, fand aber nicht mehr ganz zu seiner früheren Form zurück.

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Auch die Bundespräsidenten Schärf, Jonas und Klestil erkrankten in ihrer Amtszeit: Adolf Schärf bestand trotz einer schweren Verkühlung darauf, den Schah von Persien vom Flughafen Schwechat abzuholen. Als Folge der übergangenen Grippe trat eine Verschlimmerung eines bestehenden Leberschadens auf, dem der Bundespräsident am 1. März 1965 im 75. Lebensjahr erlag.

Geheimhaltung

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Dramatisch auch die letzten Monate von Franz Jonas. Als er im Februar 1974 bei der Eröffnung einer Ausstellung am Rednerpult stand, „waren sich alle im Saal im Klaren, dass hier ein Mann unter Aufgebot seiner letzten Kräfte seine Pflichten erfüllte“, notierte Ex-Vizekanzler Hermann Withalm. Jonas hatte gewünscht, die Bevölkerung nicht von seinem Krebsleiden zu informieren, da er seinen Aufgaben so lange wie möglich nachgehen wollte – eine Maßnahme, die in der heutigen Medienwelt wohl nicht möglich wäre. Anfang März verschlechterte sich der Zustand dermaßen, dass Kanzler Kreisky seinen Mitarbeitern erklärte, „dass eine Unterredung mit Jonas schwierig geworden ist, da sein Gedächtnis zeitweise aussetzt, aber plötzlich wieder da ist und er dann den Gesprächsfaden ganz woanders aufnimmt.“ Jonas starb am 24. April 1974 mit 74 Jahren.

Klestils Erkrankung

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Thomas Klestil erlitt 1996 eine Lungenembolie, von der er sich nie ganz erholte. Statt sich zu schonen, füllte er sein Amt voll aus, bis er zwei Herzinfarkte erlitt, an deren Folgen er – zwei Tage vor dem Ende seiner regulären Amtszeit – am 6. Juli 2004 im Alter von 71 Jahren starb.

Bluthochdruck ist eine typische Politikerkrankheit, die auf Stress, psychischer Anspannung und zu wenig Schlaf basiert. Wie Kreisky litten auch Churchill, Franz Josef Strauß, Bismarck, Tito, Lenin, Stalin und Hitler darunter. Im Spätstadium kann Bluthochdruck zu Arterienverkalkung führen – ein Zustand, der natürlich Einfluss auf die politische Arbeit hat – in einem Fall sogar auf den Verlauf der Weltgeschichte: US-Präsident Franklin D. Roosevelt litt unter starker Arterienverkalkung und saß überdies nach einer Kinderlähmung im Rollstuhl, als er im Februar 1945 nach Jalta reiste, um über die Aufteilung der Welt nach Kriegsende zu verhandeln. Stalin nützte die Ermüdungszustände und die immer wiederkehrende geistige Abwesenheit Roosevelts beinhart dafür, den Osten Europas der Sowjetunion einzuverleiben. Wochen später war Roosevelt tot.

Alkoholprobleme

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Winston Churchill hatte zeitweise Alkoholprobleme und seine ungesunde Lebensweise – die er mit „No sports!“ definierte – trug dazu bei, dass der britische Premier in seiner Amtszeit zwei Schlaganfälle erlitt, die vertuscht und erst nach seinem Tod bekannt gegeben wurden.

Kaum ein Politiker hatte ein so strahlendes Image wie John F. Kennedy. Dabei war er ein schwerkranker Mann. Antikörper im Blut zerstörten die Nebennieren, was dazu führte, dass der Präsident an Depressionen, Schwindelanfällen, Übelkeit und Kreislaufstörungen litt. Körperlich behindert war er überdies infolge einer angeborenen Deformation der Wirbelsäule. JFK ging im Stützkorsett und bewegte sich unter großen Schmerzen auf Krücken, die er erst ablegte, sobald Kameras in seiner Nähe waren.

Reagans Karzinom

Ein strahlender Präsident war auch Ronald Reagan. Abgesehen von den gesundheitlichen Folgen eines 1981 auf ihn verübten Mordanschlags, musste er während seiner Amtszeit von einem Dickdarmkarzinom befreit werden. An Alzheimer dürfte er erst nach seiner Pensionierung erkrankt sein.

Trotz Behinderungen als Folge politischer Attentate blieben auch der heutige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und der langjährige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk im Amt.

Cortison-Behandlung

Zwei Staatsmänner litten an einer seltenen Krankheit: Sowohl der Schah von Persien (behandelt vom Wiener Arzt Karl Fellinger) als auch Frankreichs Präsident Pompidou hatten Morbus Waldenström, eine tumorartige Erkrankung der weißen Blutkörperchen. Beide erhielten große Mengen an Cortison – eine Behandlung, die sich auf die Psyche und damit auf die Arbeitsleistung auswirkt.

Der ägyptische Staatschef Nasser weigerte sich, seine Zuckerkrankheit behandeln zu lassen und erlitt drei Herzinfarkte; und Frankreichs Präsident Mitterrand hatte Prostatakrebs, dessen Metastasen die Knochen befielen.

In den 1960er-Jahren fiel auf, dass Mao Tse-tung von Krankenschwestern begleitet wurde, bald erkannte man am Zittern seiner Hände die Parkinson-Krankheit. 1975 wurde der Wiener Arzt Walter Birkmayer zur Behandlung Maos nach China gerufen, da er an der Entwicklung des Parkinson-Medikaments Deprenyl beteiligt war. An Parkinson litten auch Spaniens Diktator Franco, Jugoslawiens Tito und Österreichs Außenminister Alois Mock.

„Überarbeitung“

Bei Mock war die gesundheitliche Schwäche längst erkennbar, als er im März 1994 in Brüssel Österreichs EU-Beitrittsverhandlungen abschloss – und doch blieb er noch ein Jahr Minister und danach vier Jahre Abgeordneter. Seine Erkrankung wurde von seinem Büro als „Überarbeitung“ bezeichnet.

Barbara Prammer hat mit ihrer öffentlichen Erklärung zweifellos den richtigen Weg gewählt.