Politik/Inland

„Nur zu Hause zu sein und zu grübeln, wäre nichts für mich“

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer feiert heute ihren 60. Geburtstag. Mit dem KURIER sprach sie über Privates und Politik.

KURIER: Frau Präsidentin, wie geht es Ihnen? Barbara Prammer: Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Ich muss zufrieden sein – auch wenn es jetzt ein ganz anderes Leben ist. Man muss viel mehr auf sich hören, aber das wäre auch ohne Krankheit sinnvoll. Da habe ich etwas dazugelernt.

Inwieweit hat Ihre Krankheit Ihre Arbeit verändert?

Man muss delegieren können. Ich habe ein sehr gutes Team. Ich greife auch auf den Zweiten und Dritten Präsidenten zu. Das einzige Handicap ist, dass ich keine Veranstaltungen im Freien besuchen kann, weil ich sehr kälteempfindlich bin.

Sie sind jetzt 60 und noch dazu krank. War Pension kein Thema?

Nein. Das erste Wort von Professor Zielinski (ihrem Onkologen) war „weiterarbeiten“. Er versteht das als Teil der Therapie, und ich verstehe das auch so. Nur zu Hause zu sein, zu grübeln, plötzlich keine Aufgabe mehr zu haben, wäre nichts für mich. Ich bin aber kein Vorbild für Krebspatienten. Ich weiß, dass Krebserkrankungen unterschiedliche Verläufe nehmen. Ich will niemandem Druck machen in die Richtung, dass alle Krebspatienten arbeiten können.

Kommen wir zur Politik. Zwei zentrale Forderungen der SPÖ, die Vermögenssteuern und die Gesamtschule, stehen nicht im Regierungspakt. Sorgt das nicht für Unmut an der Basis?

Ja, da und dort. Aber im letzten Regierungsprogramm standen auch keine Vermögenssteuern, trotzdem gab es Maßnahmen in dem Bereich. Und wenn ich mir heute die Bildungsdebatte anschaue, dann ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.

Sie hoffen also angesichts der Debatte in der ÖVP, dass die Gesamtschule doch realisiert wird?

Die Gesetzgebungsperiode dauert fünf Jahre. Da kann viel geschehen. Landeshauptmann Wallner hat gesagt, im November gibt es das Ergebnis einer Studie in Vorarlberg (23.000 Lehrer, Eltern, Schüler wurden befragt). Warten wir das einmal ab.

Aktuell wird kritisiert, dass SPÖ-Finanzsprecher Krainer nun auch Berater des Bundeskanzlers ist. Behagt Ihnen das?

Kollege Krainer muss das jetzt einmal binnen eines Monats in der Parlamentsdirektion melden. Dann entscheidet der Unvereinbarkeitsausschuss, ob es geht – oder nicht. Aber man muss auch sagen, bis 1983 war jedes Regierungsmitglied auch Abgeordneter. Verantworten muss es freilich in erster Linie Kollege Krainer selbst.

Die EU-Wahl steht bevor. Polit-Beobachter meinen, die FPÖ könnte Platz eins erreichen. Wie soll es Ihre Partei anlegen?

Wir müssen uns für Europa aussprechen. Es ist einfach zu sagen: „Europa ist schlecht und schuld an allem. Und wie schön wäre es, wenn wir alleine wären.“ Das klingt beim ersten Hinhören verlockend, ist aber genau der verkehrte Weg. Das müssen wir den Menschen erklären.

Eine Rückblende noch: Es gab viel Kritik, weil Österreich nicht beim Mandela-Begräbnis vertreten war. Wie sehen Sie das?

Im Nachhinein ist man immer klüger. Ich persönlich hätte die lange Reise nicht antreten können. Es sind viele nicht sehr glückliche Zufälle zusammengekommen. In Zukunft wird man aber wohl sensibler vorgehen müssen.

Vor vier Monaten ist publik geworden, dass Barbara Prammer ernsthaft erkrankt ist. Wenige Tage danach ging sie selbst mit der Botschaft „Ja, ich habe Krebs“ an die Öffentlichkeit. Ihr Amt als Nationalratspräsidentin führte sie dennoch uneingeschränkt weiter.
Am kommenden Samstag feiert die beliebte SPÖ-Politikerin ihren 60. Geburtstag. Schon Donnerstag Abend initiierte der rote Klub daher eine „Geburtstagssondersitzung“ im historischen Sitzungssaal.
470 Gäste kamen ins Hohe Haus, allen voran Bundespräsident Heinz Fischer und Kanzler Werner Faymann.

Alle Inhalte anzeigen
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hob hervor, dass sich Prammer stets für die Öffnung des Parlaments eingesetzt hat. Ex-Kanzler Franz Vranitzky erinnerte sie in seiner Festrede an die nötige Renovierung des Hauses – ein Thema, das der Präsidentin wohl im Magen liegt. Die gute Laune ließ sie sich davon nicht verderben.
Unter den Gratulanten befanden sich neben Ministern und Abgeordneten u. a. die Volksanwälte Kräuter, Brinek und Fichtenbauer sowie Rechnungshof-Chef Josef Moser und Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny. Auch Freunde und Angehörige lauschten den Ansprachen – und der Gardemusik, die der Jubilarin den „Barbara-Prammer-Marsch“ blies.