Politik/Inland

„Aus Fehlern lernen“: Jobbik sucht nach gemäßigterer Identität

Jobbik ist eine rechtsextreme Partei. Doch bei Viktor Orbáns Wahlkampagne der Fidesz, die sich ausschließlich gegen Migranten und Muslime richtet, ist es schwer, sich noch weiter rechts zu positionieren. Jobbik versucht, in die Mitte zu rücken, tut sich dabei aber denkbar schwer. Ihre Mitglieder fielen in der Vergangenheit insbesondere durch antisemitische Aussagen auf. Vizechef Márton Gyöngyösi (Bild unten) sorgte 2012 im ungarischen Parlament für einen Eklat, als eine Liste der Ungarn „jüdischer Abstammung“ forderte, da sie ein „Sicherheitsrisiko“ darstellten. Mit dem KURIER sprach er über die Positionierung seiner Partei und den Wahlkampf vor dem Urnengang in Ungarn am 8. April.

Sie haben seit Ihren judenfeindlichen Aussagen 2012 einen Stempel zu tragen. Werden Sie den jemals los?

Natürlich gibt es keine Entschuldigung für dieses Statement. Doch ich habe die Chance, zu beweisen, dass es nicht so gemeint war. Israel hatte damals den Gazastreifen bombardiert, 70 Zivilisten getötet. Ich habe nach dem Grund gesucht, warum Ungarn gegenüber Israel befangen ist. Unsere Geschichte sollte uns nicht davon abhalten, Israel zu warnen, wenn es eine rote Linie überschreitet. Das ist Kritik und nicht Antisemitismus.

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Zum aktuellen Wahlkampf in Ungarn: gibt einem das Gefühl, dass es nur um Migration und Islam geht.

Das war das einzige Thema in den vergangenen drei Jahren. Migration ist eine große Herausforderung – für ganz Europa. Wir sahen die Herausforderung 2012 kommen. Wir waren immer schon für einen Grenzzaun – und würden den auch aufrechterhalten, wenn wir an die Macht kommen. Wir würden statt Polizei und Armee wieder die Grenzwache einsetzen und würden klar zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheiden. Aber wir sind dagegen, damit Wahlkampf zu machen und Angst zu schüren. Das mündet in Hass gegen eine Weltreligion. Wir sollten gegenüber dem Islam auch fair sein.

Welche anderen Baustellen sieht Jobbik in Ungarn?

Nicht Immigration, sondern Emigration. Junge Menschen verlassen in Scharen das Land. Von zehn Millionen Ungarn leben 600.000 im Ausland, angeblich planen 370.000, auszuwandern. Jedes sechste ungarische Kind wird im Ausland geboren. Jungen Menschen bietet Ungarn keine Perspektive. Die Regierung will ausländische Direktinvestitionen anlocken und bietet dafür billige Arbeitskräfte. Das ist eine Falle!

Jobbik positioniert sich als Volkspartei, galt aber lange als rechtsextrem. Sie versuchen, dieses Label loszuwerden?

Jede Organisation hat, so wie jeder Mensch, einen Lebenszyklus. Kindheit, Teenagerjahre und so weiter. Man ist nicht stolz auf alles, was man als Teenager gemacht hat. Man lernt aus diesen Fehlern. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Da haben wir sicher noch einiges zu tun.

Die zersplitterte ungarische Opposition hat im Kampf gegen Fidesz nur eine Waffe: Zusammenarbeit. Sie scheint aber nicht so gut zu funktionieren?

Das stimmt. Es ist sehr schwierig. Wir sehen die grüne LMP und die Bürgerinitiative Momentum als Partner nach der Wahl. Den Sozialisten können wir – vor allem in Sachen Korruption – nicht trauen. Außerdem glauben wir, dass sich in der Partei Fidesz-Agenten befinden.

Nach den letzten Umfragen könnte es sein, dass die Fidesz einen Koalitionspartner braucht…

Fidesz hat zuletzt alles getan, um jede andere Partei vor den Kopf zu stoßen. Wenn für Jobbik nach diesen acht Jahren eines außer Frage steht, dann ist es, mit Orbán zusammenzuarbeiten.