Politik/Inland

"Wozu ist die Schule da?"

Lukas Weinberg wirft noch einen letzten Blick in seine Lernunterlagen. Die vermeintlich wichtigsten Passagen sind mit Textmarker unterstrichen. Der Deutsche hat sich kurzfristig für ein Lehramtsstudium in Innsbruck entschieden. Das ist heuer erstmals an ein Aufnahmeverfahren geknüpft. "Das wird sicher herausfordernd. Wenn es so viele Bewerber gibt, muss man selektieren", befürchtet der 19-jährige Allgäuer.

Gemeinsam mit rund 500 Leidensgenossen wartet er am Donnerstagvormittag darauf, dass sich die Türen zur Olympiaworld in Innsbruck öffnen. Angst, durchzufallen, haben hier die wenigsten. Auch wenn das hieße, dass sie im künftigen Uni-Jahr nicht für ein Lehramtsstudium zugelassen werden. "Ich lasse das auf mich zukommen. Den Stoff habe ich mir einmal durchgelesen. Ich hoffe, das reicht", sagt Natalie Mühlmann aus dem Villgratental in Osttirol.

Keine Auslese

Das wird es wohl. Denn als echte Hürde ist das Auswahlverfahren gar nicht angelegt. "Die Idee ist, dass sich die Studenten fragen: Was heißt es, Lehrer zu sein und ist das was für mich. Das soll kein Ausleseverfahren sein", erklärt Eveline Christof vom Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Uni Innsbruck, die den Test mitentwickelt hat. Und ihr Kollege Klaus Reich macht klar: "Wir wollen niemanden rausprüfen, sondern schauen uns an, ob sich die Leute die Unterlagen angesehen haben."

Die Unterlagen, das sind Teile aus Lehrplänen. Außerdem gehören zwei Kapitel aus einem Buch für Schulpädagogik zum Stoff. "Wozu ist die Schule da?", fragt das eine, "Was ist ein guter Lehrer?", titelt das andere. Die Studenten stellen sich Sinnfragen anderer Art. "Ich bezweifle, dass man mit so einem Test herausfinden kann, ob jemand zum Lehrer geeignet ist", sagt Carmen Hofer aus Südtirol, die später einmal Englisch unterrichten möchte.

"Dass man auf Schüler eingehen und ihnen etwas beibringen soll, habe ich davor auch schon gewusst", ärgert sich Lisa-Marie Pohl aus Imst über den Inhalt der Lernunterlagen. Angst, durchfallen zu können, hat die 18-jährige Tirolerin trotzdem. "Ich habe keinen Plan B."

Keine Noten

Eines müssen die Lehrer von morgen nicht fürchten: Noten. Es gibt nur Bestehen oder Durchfallen. Studienplatz-Beschränkungen gibt es aber keine. Genauso wenig wie an den Unis Wien, Graz, Klagenfurt und der TU Graz, die heuer ebenfalls erstmals Aufnahmetests für Lehramtsstudenten durchführen werden – allerdings mit eigenen Modellen. In Graz und Klagenfurt werden etwa Sprachkompetenz, emotionale Fähigkeiten und Belastbarkeit abgefragt. Nur wer besteht, bekommt einen Studienplatz. Anders in Wien: Wer hier scheitert, muss nur zu einem Info- und Beratungsgespräch und wird dann trotzdem aufgenommen.

Ein Aufnahmeverfahren für Lehramtsstudenten durchzuführen, wurde den Universitäten jüngst per Verordnung aufgetragen. Dort ist das Interesse, junge Menschen vom Studium abzuhalten, aber eher gering. "In den kommenden zehn Jahren gehen 43,5 Prozent der Lehrer der Sekundarstufe in Pension", warnt Uni-Lehrer Reich vor einem möglichen Pädagogenmangel. "Eine Barriere finde ich da nicht sinnvoll", sagt Lehramtsanwärter Simon Blank aus Bludenz nachdem er den Test hinter sich gebracht hat. Ob er Lehrer werden will oder nicht, hat sich der 22-Jährige schon davor überlegt. Für eine Gebühr von 50 Euro durfte er seine Gedanken nun auch zu Papier bringen.

An den Pädagogischen Hochschulen sind in den vergangenen Tagen wieder die Aufnahme-Prüfungen durchgeführt worden. Viele, die den Lehrberuf ergreifen wollen, scheitern allerdings am Prüfungsfach Deutsch. An der PH Niederösterreich ist knapp die Hälfte der 500 Bewerber durchgefallen.

"Das Problem Deutsch macht uns wirklich Sorge"


Vor allem Fehler in der Rechtschreibung häufen sich, berichtet das Ö1-Morgenjournal. Und die Tendenz ist steigend. "Das Problem Deutsch macht uns wirklich Sorge", sagt der Vorsitzende der Rektorenkonferenz, Erwin Rauscher, gegenüber Ö1. In Oberösterreich scheiterte jeder fünfte der 600 Bewerber. Die Tests wurden dieses Jahr allerdings auch verschärft, da Deutsch für Lehrer besonders wichtig sei. Auch in Musik zeigen Bewerber Defizite, wie die PH Salzburg berichtet.

Betroffen waren sowohl Bewerber, die später an Volks- oder Sonderschulen unterrichten wollen, als auch solche, die es an eine Neue Mittelschule zieht. Die Rektorenkonferenz will jetzt die Ursache für das schlechte Abschneiden prüfen.

Ab 2015 sollen österreichweit neue Aufnahmetests, entsprechend der neuen Lehrerausbildung, stattfinden.