Politik/Inland

Asyl/EMRK: VP-Landeschefs stellen sich hinter Wöginger

Die Europäische Menschenrechtskonvention sorgt für eine Diskussion in der ÖVP. Nach dem steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) haben am Dienstag auch etliche andere VP-Landeschefs den Vorstoß von Klubobmann August Wöginger für eine Überarbeitung der EMRK unterstützt.

Der steirische Landeshauptman Christopher Drexler hatte in der Kleinen Zeitung gemeint: "Ja, er (Wöginger; Anm.) hat recht. Wenn es darum geht, auch die Europäische Menschenrechtskonvention diskutieren zu dürfen" - und weiter: "Mir geht es weniger um den Text der EMRK aus dem Jahr 1950. Aber die fortlaufende Weiterinterpretation durch den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann man als ein sich verselbstständigendes Richterrecht sehen. Da stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation."

Man solle "einmal abklopfen, was in einer zeitgemäßen Textfassung eine Deckung finden würde", so Drexler. "Möglicherweise braucht es eine Neukodifizierung, um das, was sich auf dem Interpretationsweg ergeben hat, zu bewerten, allenfalls in den Text aufzunehmen oder zu verwerfen. Darüber eine Diskussion zu führen, ist legitim."

"Smartphone-basiert, schleppergestützt"

Nicht im Sinne der EMRK könne sein, was wir "2015 erlebt haben und heute wieder erleben: eine Smartphone-basierte, schleppergestützte, illegale Migrationsbewegung aus allen Teilen der Welt, die À-la-carte-Asylpositionen in Mitteleuropa verteilt." Die heutige Asylpraxis sei "eine wirkliche Pervertierung des ursprünglichen Asylgedankens".

Der burgenländische VP-Chef Christian Sagartz, der auch stellvertretender Vorsitzender im Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments ist, erklärte gegenüber der APA: "Niemand möchte die Menschenrechte willkürlich ändern. Aber für mich ist ganz klar - die über 70 Jahre alte Menschenrechtskonvention benötigt ein Update beim Thema Migration und diese Diskussion sollten wir so schnell als möglich starten." Ähnlich wie in anderen Rechtsbereichen müsse man die Menschenrechtskonvention ins neue Jahrtausend holen, da es seit 1984 keine wesentlichen Anpassungen mehr gegeben habe. "Noch dazu wurden die alten Passagen sehr freizügig ausgelegt, was zu langen Abschiebeprozessen und zu übermäßigem Zuzug geführt hat", meinte Sagartz.

Auch Genfer Konvention im Blick

Der Landesparteiobmann fordert darüber hinaus auch eine Überarbeitung der Genfer Flüchtlingskonvention: "Der ursprüngliche Text der Genfer Flüchtlingskonvention war ausgelegt, unseren unmittelbaren Nachbarn in Not zu helfen. Doch jetzt kommen Menschen von überall nach Europa und wollen Zugang zu unserem hart erarbeiteten Sozialsystem. Das konnte damals niemand vorhersehen."

"Das versteht kein Mensch"

"Gerade Niederösterreich kommt seit Jahrzehnten im besonderen Maß seiner Verantwortung bei der Versorgung von Flüchtlingen nach. Die Europäische Menschenrechtskonvention war dabei eine humanitäre Errungenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg", hob Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf APA-Anfrage hervor. Die Auslegung der EMRK "durch manche Gerichte" habe "mit dem Grundgedanken aber oft nur mehr wenig" zu tun. "Es ist nicht nachvollziehbar, wenn zum Beispiel Rückschiebungen in andere sichere Länder der Europäischen Union nicht möglich sind. Das versteht kein Mensch. Damit werden die eigenen hohen Standards zum Hemmschuh für ein glaubwürdiges Asylsystem."

"Menschenrechtsmaterien sind besonders sensibel, wir müssen behutsam mit ihnen umgehen", betonte ein Sprecher von Salzburgs Landeshauptmann Haslauer. "Asylgrundsätze sind eindeutig und für jene da, die Asyl brauchen. Wir benötigen aber eine Lösung für Wirtschaftsflüchtlinge, die sich auf Asylgrundsätze berufen - ohne aber dass sie überhaupt Aussicht auf Asyl haben."

Vorsichtige Unterstützung für Wögingers Vorschlag kam auch von Kärntens VP-Landesparteiobmann Martin Gruber: "Wir müssen etwas dagegen tun, dass Asyl als Deckmantel für Migration missbraucht wird. Wenn es dazu eine Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention braucht, spreche ich mich dafür aus", sagte Gruber. Es müsse weiters "klargestellt werden, dass Asylverfahren außerhalb der EU stattfinden sollen, um illegale Zuwanderung zu stoppen", so Gruber.

"Wo beginnt, wo endet der Schutz?"

Etwas vorsichtiger zu Wögingers Aussagen, wenn auch nicht wirklich ablehnend, klang am Dienstag die Reaktion aus Vorarlberg. Es handle sich um eine differenzierte Debatte, der es auch differenziert zu begegnen gelte, erklärte Landeshauptmann und ÖVP-Landeschef Markus Wallner. Wohl niemand ziehe die Grundsätze der Konvention in Zweifel, an ihnen sei "nicht zu rütteln". Die über die Jahre gewachsene Rechtssprechung bereite aber Schwierigkeiten, "und es wäre falsch, die Augen vor den Problemen zu verschließen". Es stelle sich die Frage, "wo beginnt und wo endet der Schutz". Dass man nach den Vorfällen in Linz "offenbar nichts tun kann", sei "unbefriedigend". Kriminelle Asylwerber müssten auch abgeschoben werden können, sonst sinke das Verständnis der Bevölkerung für das Asylwesen als solches, und das sei "nicht gut", so Wallner.

Von der Tendenz her ins selbe Horn wie Wallner stieß Tirols Landeshauptmann und VP-Landesparteichef Anton Mattle. In der Asylfrage sei die Genfer Flüchtlingskonvention "unsere Richtschnur", teilte Mattle mit. Das geltende Recht und die juristische Interpretation daraus müssten angesichts der "dramatischen Flüchtlingsbewegungen" aber auch Lösungen beinhalten, "wie die europäischen Staaten mit den massenhaften Asylanträgen, offensichtlichen Wirtschaftsflüchtlingen, illegaler Migration und dem kriminellen Schlepperwesen umgehen können", so Mattle. Gleichzeitig betonte er, dass die Menschenrechte "eine riesige Errungenschaft" seien und der Menschlichkeit konkrete Regeln geben würden. "An Grundsätzen, wie dem Verbot der Folter oder der Meinungsfreiheit, darf nicht gerüttelt werden", betonte der Tiroler Landeschef.

"Kann nicht mehr so weitergehen"

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer, der zurzeit in Israel bei der Entzündung des ORF-Friedenslichts weilt, klang ähnlich: "Klar ist: Es kann mit der unkontrollierten Migration nicht mehr so weitergehen. Asyl heißt vorübergehender Schutz durch ein sicheres Land, aber nicht durch zig EU-Länder zu marschieren bzw. durchgewunken zu werden, bis man Asyl ruft. Aus meiner Sicht ist es notwendig das Asylsystem gesamtheitlich zu überarbeiten und an die neuen Herausforderungen anzupassen." Dazu gehöre auch, rechtliche Grundlagen daraufhin zu überprüfen. Die EU sei jedenfalls gefordert, endlich tätig zu werden. "Wir brauchen wirksame Kontrollen und Verfahren direkt an den EU-Außengrenzen, damit wir denen, die wirklich Hilfe brauchen, auch weiterhin helfen können", so Landeshauptmann Thomas Stelzer.

"An Herausforderungen anpassen"

Auch Wiens VP-Obmann Karl Mahrer sieht eine Verpflichtung Europas, sich diesem "Diskurs zu stellen", wie er in einer Aussendung meinte. "Die Menschenrechte sind die Grundfeste der Demokratie. Die Grundrechte und die Rechtsprechung zu Asyl- und Migrationsfragen müssen jedoch an aktuelle und künftige Herausforderungen angepasst werden", stieß er ins selbe Horn wie seine Kollegen in den anderen Ländern. Die Änderungen in den Zusatzprotokollen sowie der Rechtsprechung hätten "zu Umständen geführt, die aus meiner Sicht nicht zu tolerieren sind".

Zuvor hatten Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Europäische Menschenrechtskonvention als "nicht verhandelbar" bezeichnet. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen begab sich am Montag in diese Debatte: Die EMRK sei eine große Errungenschaft der Menschlichkeit, ein Kompass der Humanität und gehöre zum Grundkonsens der Republik, schrieb er auf Twitter. Diese infrage zu stellen, löse keine Probleme, sondern rüttle an den Grundfesten, auf denen unsere Demokratie ruhe.