Politik/Inland

Asyl-Labyrinth: „Brauchen ein großes Migrationsministerium“

Nach der Wahl ist vor der Wahl, zumindest wenn Österreich über die nächsten politischen Entscheidungen spricht. Von Stillstand bei sozial- und wirtschaftspolitischen Themen war im Wahlkampf viel die Rede. Der Ruf nach Reformen ist jetzt die logische Folge. Wohin steuert die nächste Bundesregierung? Nimmt man die Wahlkampfprogramme zur Hand, kann man daraus einiges ableiten. Natürlich nur die großen Linien. Die Details erfahren die Österreicherinnen und Österreicher, erst wenn die nächste Koalition steht.

Ein guter Grund für den KURIER seine Leserinnen und Leser zu befragen, was sie von der nächsten Bundesregierung erwarten. In einer siebenteiligen Serie werden die wichtigsten Themen, die Österreich zuletzt bewegt haben, aufbereitet. Heute am Nationalfeiertag fragen wir: „Braucht Österreich ein neues Integrations- und Einwanderungsgesetz?“

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Reichen die neuen Gesetze?

23.258 Menschen haben heuer in Österreich Asyl bekommen – für jeden einzelnen beginnt damit ein neuer Lebensabschnitt, und für den hat die Regierung 2017 mit neuen Gesetzen die Weichen gestellt Da gilt es Deutsch- und Wertekurse zu besuchen, sich mit einem einjährigen Programm in den Arbeitsmarkt zu integrieren, Burkas sind in der Öffentlichkeit nicht mehr erlaubt; und wer als Asylwerber abgelehnt wird, muss das Land verlassen – sonst drohen Geldstrafen und Beugehaft (siehe Zusatzbericht unten).

Aber reicht das? Der KURIER hat sich bei Experten umgehört, und der Tenor ist folgender: Statt noch mehr Gesetzen braucht es eine anständige Umsetzung. Und Geld. Ganz abgesehen davon, dass dort und da bald eine Novellierung fällig sein wird.

Strukturelles Problem

Ob das Integrationsjahr funktioniert, hängt davon ab, ob die Zivildienstträger Kapazitäten haben. Noch immer warten Asylwerber trotz Fristsetzung mitunter Jahre auf ihren Bescheid und können von Glück reden, bis dahin geringfügig arbeiten und einen Deutschkurs besuchen zu dürfen (der Rechtsanspruch besteht erst ab positivem Bescheid). Und in den Schulen sitzen immer noch Kinder, die kaum Deutsch sprechen.

Diese Punkte nennt mit Ex-ÖVP-Politiker Ferry Maier einer, der im Zuge der großen Flüchtlingswelle 2015/’16 als Koordinator tiefe Einblicke in das Asylwesen bekommen hat – und einer der schärfsten Kritiker geworden ist.

Ob Schwarz-Blau diese Probleme lösen kann (Maier: "Ich bin Optimist") sei einmal dahingestellt, jedenfalls sei die Regierungsbildung eine Chance, ein strukturelles Problem zu lösen, sagt er: Die Aufteilung der Migrationsagenden auf verschiedene Ministerien.

Vom Innen- bis zum Integrationsministerium, dazwischen noch Sozial-, Familien- und Bildungsministerium und die Länder, die mit einzelnen Aufgaben betraut sind: Für Maier sind das zu viele Stellen, "jeder macht irgendwas, das ist nicht praktikabel". Er schlägt nach dem Beispiel Kanadas "ein großes Migrationsministerium" vor, wo Experten neben Asylstrategien auch Integrationsangebote, Bildung, Arbeit und Sozialleistungen koordinieren.

Afghanen als neue Türken

"Die Behördenstruktur muss besser ineinandergreifen", sagt auch Franz Wolf, Chef des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Seine Einrichtung hat heuer schon 75.000 Beratungen und je 20.000 Plätze in Werte- bzw. Deutschkursen zur Verfügung gestellt. Darauf haben Asylberechtigte mit dem neuen Integrationsgesetz einen Anspruch – und sie sind auch Pflicht. Der ÖIF erfasst die Teilnahme in einer zentralen Datenbank. Durch vereinzelte Parallelstrukturen in den Ländern fehle es aber an Transparenz. "Es muss klar sein, welche Angebote es gibt, wer die Qualität sichert, wer das überprüft und Sanktionen setzt. Je zentraler, desto einfacher ist es", sagt Wolf.

Die Regierung müsse jetzt bei Afghanen und Syrern meistern, was bei den Türken in den 1990er-Jahren versäumt wurde, "sonst wiederholt sich die Geschichte", sagt Heinz Faßmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration. "Wir haben noch immer eine relativ hohe Arbeitslosigkeit bei gering qualifizierten Nachkommen der Arbeitsmigranten, ihr Bildungsaufstieg ist langsamer als bei Österreichern." Seine Ansage: "Wir brauchen Migration, aber eine richtige."

Gesetzlich, sagt Faßmann, sei Österreich gut unterwegs: "Aber man muss den Dingen Zeit geben. Man kann von einem Asylwerber nicht erwarten, dass er von null auf hundert den sozialen Aufstieg macht. Er muss erst einmal den Einstieg schaffen."

Flüchtlinge sind seit der großen Migrationswelle 2015/’16 das politische Thema Nummer eins, eine Reihe von Gesetzen wurde beschlossen. Hier ein Überblick:

Integrationsgesetz

Zielgruppe sind Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte. Sie müssen sich ab positivem Bescheid beim Österreichischen Integrationsfonds melden, dort werden Beratungsgespräche, Deutsch- und Wertekurse bereitgestellt. Wer nicht teilnimmt, dem können Sozialleistungen gekürzt werden. Im Pakt enthalten ist auch das so genannte „Burka-Verbot“.

Integrationsjahr

Seit September ist für anerkannte Flüchtlinge und Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit ein einjähriger Plan festgelegt, der sie fit für den heimischen Arbeitsmarkt machen soll. Dazu gehört ein Kompetenz-Check, Bewerbungstraining, aufbauende Deutschkurse (ab A2-Niveau) und ein „Arbeitstraining“ – das ist eine gemeinnützige Tätigkeit bei Zivildienstträgern wie dem Roten Kreuz. Pilotprojekte laufen bereits in einzelnen Regionen Österreichs.

Fremdenrechtspaket

Das Gesetzeskonvolut soll es den Behörden erleichtern, abgelehnte Asylwerber abzuschieben. Zum einen gibt es eine Geldstrafe von bis zu 5000 Euro, wenn man im Asylverfahren falsche Angaben macht, zum anderen werden für illegale Einreise bzw. Aufenthalt bis zu 15.000 Euro oder bis zu sechs Wochen Ersatzarrest fällig. Ausreise-Unwillige können in Beugehaft genommen werden, Schubhaft ist jetzt bis zu 18 Monate lang möglich. Während des Asylverfahrens gibt es zudem Wohnsitzauflagen.