Politik/Inland

Alexander Van der Bellen: Im Kärntner Trainings-Camp

Die Militärkompanie ist angetreten. Der Kinderchor besingt die Schönheiten des Heimatlandes. Auf der Honoratiorentribüne drängen sich lokale Würdenträger in Festtagskleidung.

Mitten drinnen in diesem feierlichen Getümmel steht Professor Alexander Van der Bellen – und übt ganz offensichtlich für künftige Aufgaben. Wenn die Kinderstimmen erklingen, lächelt er milde. Hebt die Militärmusik an, klatscht er im Marschtakt.

Es ist der Kärntner Landhaushof, wo am Vormittag des 10. Oktober 2016 dieses Schauspiel zu beobachten ist.

Am 10. Oktober 1920 haben die Kärntner, deutsch- und slowenischsprachige, in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit dafür votiert, dass Kärnten zur Gänze bei Österreich bleibt.

Alljährlich gedenkt Kärnten seither der Einheit des Landes. Der Bundespräsident ist zwar nicht bei jeder Feier zugegen, aber bei den großen Jubiläen schon. Heinz Fischer hielt am 90. Jahrestag eine Festrede. Damals, 2010, wurde der entsprechende Passus im Staatsvertrag endlich erfüllt und zweisprachige Ortstafeln in erforderlicher Anzahl aufgestellt.

Ideologisch entstaubt

In vier Jahren wird sich die Volksabstimmung zum 100. Mal jähren. Spätestens dann schlägt wieder die Stunde des Bundespräsidenten.

"Stimmt. Die Hundert-Jahr-Feier fällt in meine Amtszeit", räsoniert Van der Bellen im KURIER-Gespräch und deutet an, dass er sich bereits gedanklich auf diese Aufgabe einstellt.

Vor wenigen Jahren noch wäre es für einen Grünen wohl eine Qual gewesen, diesem nationalistisch aufgeladenen Hochamt beizuwohnen. Doch seit der politischen Wende 2013, als die FPÖ bei der Landtagswahl ihre Vormachtstellung verlor, ist Kärnten im 21. Jahrhundert angekommen. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat die Oktoberfeiern ideologisch entstaubt und den deutschnationalen Schutt weggeräumt.

Das ist auch an diesem 10. Oktober 2016 sichtbar und hörbar: Im braunen Kärntner Anzug erscheinen fast nur mehr die Freiheitlichen, darunter auch – der Burgenländer – Norbert Hofer. Landeshauptmann Peter Kaiser trägt ideologisch unverdächtiges Grau, nur die Krawatte ist in Kärntner-Rot gehalten.

Von den neuen Zeiten zeugt auch das Programm der Feier. Hat man früher den 10. Oktober als Propaganda gegen die slowenisch-sprachige Minderheit eingesetzt, ertönen jetzt im Landhaushof slowenische Volkslieder. Der Landeshauptmann hält Teile seiner Rede zweisprachig. Zudem stellt Kaiser die multiple Identität der Kärntner in einen europäischen Rahmen und gibt so dem historischen Ereignis eine zukunftsweisende Dimension.

Als zum Ende der Feier die Europa-Hymne gespielt wird, singt Van der Bellen kräftig mit.

Sympathien für VdB

Peter Kaiser unterstützt Van der Bellen im Bundespräsidentenwahlkampf – doch mehr als ein kurzer Small Talk ist an diesem Montag nicht möglich. Kaiser eilt zu einer Sondersitzung der Landesregierung. Pünktlich zum Landesfeiertag ist das Hypo-Problem rechtlich bindend gelöst. Fast 100 Prozent der Gläubiger stimmen der Lösung zu (siehe Story rechts).

Während Kaiser in einer Pressekonferenz die Öffentlichkeit informiert, kämpft Van der Bellen in der Klagenfurter Altstadt um Stimmen für die Stichwahl.

Hauptsächlich Jugendliche drängen sich um den Professor. Alle wollen Selfies mit dem Präsidentschafts-Kandidaten. Kaum jemand spricht Van der Bellen politisch auf etwas an. Es geht vielmehr um eine Grundsympathie für Van der Bellen als Person und für die Haltungen, für die er steht. "Sie müssen diese Wahl gewinnen", sagen die Eltern eines Sechsjährigen. "Ich wünsche mir so sehr, dass Sie der erste Bundespräsident werden, an den sich meine Kinder erinnern", sagt die Mutter von zwei Kindern im Vorschulalter.

Van der Bellen posiert geduldig für Fotos mit seinen Fans in jeder Altersklasse. Er gibt Autogramme, erkundigt sich nach dem Befinden und lächelt trotz eisigen, herbstlichen Nieselregens.

In Klagenfurt hat Van der Bellen bei der letzten Stichwahl eine Mehrheit bekommen. Seine Bitte an seine Anhänger: "Gehen Sie wieder wählen!"