64.440 Namen: Gedenkmauer für Opfer der Shoah wird in Wien eröffnet
In Wien wird am Nachmittag ein Mahnmal feierlich seiner Bestimmung übergeben, das an eines der größten Verbrechen der Geschichte erinnert: die Shoah-Namensmauer. Auf 160 Steinelementen sind dort die Namen von 64.440 in der NS-Zeit ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden eingemeißelt. Initiiert wurde das Projekt vom Holocaust-Überlebenden Kurt Yakov Tutter. Er hat sich jahrelang dafür eingesetzt, dass das Vorhaben realisiert wird.
Tutter floh als Bub nach Belgien und überlebte so die Shoah. Später emigrierte er nach Kanada. Lange Zeit erntete er mit seinem Projekt zwar prinzipiell wohlwollende Unterstützung, konkrete Schritte blieben jedoch aus. Völlig offen war zunächst die Finanzierung, genauso wie der Ort, an dem die Mauer umgesetzt werden könnte. Ein entscheidender Schritt erfolgte 2018, als sowohl der Bund als auch die Stadt Unterstützung zusagten. Letztendlich beteiligten sich alle Bundesländer. Auch private Sponsoren ermöglichten den Bau der mehr als 5 Mio. teuren Gedenkstätte.
Sandsteinfarbiger Granit
Realisiert wurde das Shoah-Mahnmal nun im Ostarrichi-Park im Bezirk Alsergrund, einer Grünfläche vor der Oesterreichischen Nationalbank neben dem Alten AKH. Die Anlage sieht in ovaler Anordnung mehrere Steinmauern vor, in der die Namen eingraviert wurden. Sie entstammen der Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Die 160 Mauerteile wurden aus einem Stein namens "Kashmir Gold" gefertigt - ein sandsteinfarbiger Granit.
Geraume Zeit musste Tutter auch um diesen Standort zittern. Denn sowohl der Stadt als auch der Nationalbank gehören je ein Teil des Areals. Im Rathaus hatte man zudem auf statische Fragen aufmerksam gemacht - nicht zuletzt etwa durch den U5-Bau, der dort in der Nähe inzwischen in vollem Gange ist. Diskutiert wurde zuletzt auch darüber, ob nicht auch andere Opfergruppen - etwa Roma und Sinti - erwähnt werden sollen. Zuletzt berichtete der Standard auch davon, dass eine Firma, die am Bau beteiligt war, während der NS-Zeit jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt haben soll.
Letztendlich wurde das Projekt aber in der gewünschten Form realisiert. An der heutigen Eröffnung am späten Nachmittag werden neben dem Initiator unter anderem auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, teilnehmen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird bei der Zeremonie nicht wie geplant dabei sein - er befindet sind im Homeoffice, da eine Mitarbeiterin positiv auf Corona getestet wurde.
"Schicksale hinter den Namen"
"Mit der Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte setzt die Republik Österreich ein sichtbares Zeichen ihrer Verantwortung", betonte Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bereits am Vormittag in einer Aussendung. Man geben den Opfern ihren Namen und damit zumindest einen Teil ihrer Würde zurück. "Und wir führen uns vor Augen, dass hinter den 64.440 Namen einzelne Menschen - Kinder, Mütter, Väter und Nachbarn - mit individuellen Geschichten und menschlichen Schicksalen stehen." Die Mauer solle auch ein Ort sein, der den Besucherinnen und Besuchern das Ausmaß des Menschenhasses der Nationalsozialisten vermitteln solle, sagte die Ministerin.