Politik/Inland

30 Jahre im Parlament: Die ersten Wutbürger trugen Grün

Wo sind die Wurzeln der Grünen? Wo liegt der Ursprung dieser Partei, die innerhalb von 30 Jahren von einem kleinen Haufen durchaus streitbarer Einzelkämpfer zu einer etablierten Parlamentspartei wuchs, die mittlerweile in nicht weniger als sechs von neun Bundesländern direkt an der Landesregierung beteiligt ist?

Geht es nach Eva Glawischnig, der amtierenden und siebten Parteichefin, dann lassen sich die Wurzeln der Grünen nicht allein geografisch, nämlich im Westen von Wien, verorten. "Es war nicht nur die Hainburger Au, wo es um den Widerstand gegen ein Projekt ging", sagt Glawischnig. "Es gab auch ein Bedürfnis nach einer anderen Politik."

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Betrachtet man die Zahlen, so wurde dieser Wunsch durchaus erfüllt: Während die damals etablierten Großparteien mittlerweile zahlenmäßig zu Mittelparteien schrumpften, ging es bei den Grünen bei Wählern und Mandataren langsam aber stetig bergauf (siehe Grafik unten).

Ausgangspunkt der politischen Erfolgsgeschichte war das Jahr 1986. Angeführt von Freda Meissner-Blau zogen mit Herbert Fux, Andreas Wabl, Walter Geyer, Karel Smolle, Manfred Srb, Josef Buchner und Peter Pilz erstmals Grüne in den österreichischen Nationalrat ein.

Heute ist Pilz einer von 24 Nationalratsabgeordneten – und letzter Verbliebener der alten Riege. Dem einstigen Alleinstellungsmerkmal – der Ökologie – ist die Partei verlustig gegangen. Dafür hat sie im Bereich der Menschen- und Grundrechte sowie beim Datenschutz bisweilen die Rolle des einsamen Rufers.

Eine der großen politischen Herausforderungen wird sein, klassische Themen wie Umweltschutz und Gerechtigkeit intelligent miteinander zu verbinden (siehe unten) und daraus erfolgreiche Kampagnen zu machen.

Theoretisch läge das Potenzial der Bewegung irgendwo bei 15 und 20 Prozent. Dieses vollends auszuschöpfen, ist den Grünen bei überregionalen Wahlen aber nur ein Mal gelungen, nämlich bei der Salzburger Landtagswahl 2013: Im Windschatten des Spekulationsskandals schaffte die Bewegung den Rekord-Wert von 20,18 Prozent.

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Sie hat das alles nicht mitgekriegt, zumindest nicht zu Beginn. Als die Grünen erstmals ins Parlament kamen, saß Ingrid Felipe in der Volksschule. Aber schon damals war absehbar, dass die junge Tirolerin später in der Politik landen könnte. Denn in ihrem Heimatort Rum setzte Schülerin Felipe mit ihrer Schwester alles daran, dass Mädchen ministrieren durften – es gelang.

Felipe engagierte sich erst in der Landespartei, wurde in den Landtag gewählt und brachte es heute bis zur Landeshauptmann-Stellvertreterin von Tirol.

Was haben die Grünen geschafft, was müssen sie noch erreichen? "Umwelt, Gleichberechtigung oder die Friedensbewegung: Themen, die anfangs belächelt wurden, sind dank der Grünen Mainstream", sagt Felipe. Das ist das eine, der Blick zurück.

Das andere sind die Herausforderungen der nächsten Jahre. Und zu denen gehört, Themen zu verknüpfen, bei denen es scheint, sie hätten nichts miteinander zu tun. Der alleinerziehenden Mutter fällt eine Kombination ein: "Beim Natur- und Umweltschutz geht’s beispielsweise auch um die Gerechtigkeit." Inwiefern? "Die Natur, der Wald, die Berge, all das gehört der Allgemeinheit – aber auch einzelnen Besitzern oder Pächtern. Hier den Ausgleich zwischen allen Beteiligten zu finden, ist eine Stärke der Grünen."

Bei der Premiere 1986 ist er dabei: Zieht als einer von acht Grün-Mandataren in den Nationalrat ein. Ein halbes Jahr später zieht er im Parlament aus Protest gegen den Bundespräsidenten und dessen NS-Vergangenheit – Kurt Waldheim – eine Hakenkreuzfahne aus der Tasche. "Jede Zeit hat ihre eigenen Formen, und es wird wieder Momente geben, wo Aktionismus vernünftig ist", sagt Andreas Wabl.

Rückblickend auf drei Jahrzehnte, sei es "ein großer Sieg der Vernunft, dass gewisse grüne Themen wie ökologische Landwirtschaft oder Anti-Atomenergie nicht mehr wegzudenken sind. Andererseits ist es eine Tragödie, dass die Dinge so langsam vorangegangen sind." Was Wabl meint, führt er an der Debatte rund um emissionsfreie Autos aus. "Seit Jahren wissen wir, dass es die Umstellung geben muss. Doch die richtige und wichtige Auseinandersetzung findet nicht statt, weil es nicht nur um Arbeitsplätze in der Industrie, sondern auch um Klientelpolitik geht."

Heute wie damals stehen die Grünen für Ex-Klubobmann Wabl für "Ökologie, Menschenrechte und Emanzipation. Wir waren noch nie so stark und trotzdem haben viele das Gefühl, dass wenig oder nichts weitergeht." Geschuldet sei dies auch dem "Vormarsch der Rechten ins Biedermeierstübchen" und den Grünen selbst. "Ich glaube, dass die Partei noch geschlossener und härter im Parlament auftreten und sich mit weniger Themen mehr Gehör verschaffen könnte." Bestes Beispiel, dass dies von Erfolg gekrönt sein kann, sei Kanzler Kern und CETA. "Wenn es den Grünen gelingt, der rein emotionalen Bauchpolitik eine vernünftige Politik entgegenzusetzen, die das Herz bewegt, dann schaffen sie auch 20 Prozent."

Irgendwann stellte er einen Klappstuhl und einen Tisch ins Parlament – und protestierte für seine Rechte als Mandatar.

Das ist das Foto, mit dem Josef Buchner bekannt wurde: Sitzend in der Säulenhalle. Warum? Dazu kommen wir noch. Zunächst einmal ist es Buchner wichtig zu sagen, dass sich die Grünen enorm entwickelt haben seither: "Wir waren noch Einzelkämpfer, waren thematisch eng aufgestellt. Heute sind die Grünen eine Partei, die in allen politischen Feldern Antworten anbietet."

Durch die Umweltpolitik war der heute 74-Jährige in den 1970er-Jahren bei den Grünen gelandet. In seiner Heimatgemeinde Steyregg hatte er sich gegen die Luftverschmutzung engagiert. 1986 schaffte er es ins Parlament, war also Gründungsmitglied des grünen Klubs. Nur ein Jahr danach brach er mit der Bewegung. Seine "Vereinten Grünen Österreichs" waren in Wien gegen die Grünen angetreten – eine Kriegserklärung. Und damit sind wir bei der "Sessel-Geschichte": 1987 war Buchner plötzlich "wilder Abgeordneter", doch für die gab’s kaum Regeln, weder Büro noch Mitarbeiter. "Der Gratz (Nationalratspräsident) hat damals gesagt: ,Du kriegst ein Post-Kastl und telefonieren kannst mit den Apparaten im Couloir (Korridor hinter dem Plenarsaal), das reicht. Daraufhin hab ich mich in die Säulenhalle gesetzt und gesagt: Ich bleib’ so lange, bis ich den Schreibtisch hab‘."

Ein Parlamentarier ohne Infrastruktur, dem vom Nationalratspräsidium Steine in den Weg gelegt werden?

Was heute undenkbar ist, war damals normal. Doch Buchner setzte sich durch: Wenige Wochen nach dem Sitzstreik hatte er das Büro.

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