In die Löwenarena gehetzt und gekreuzigt
Von Walter Friedl
Gekreuzigt, gesteinigt, den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Diejenigen, die bloß zur Zwangsarbeit ins Bergwerk gesteckt oder verbannt wurden, kamen wenigstens mit dem Leben davon – ebenso wie viele Frauen und Mädchen, die in Bordellen landeten. Klar ist: Die Christen hatten in den ersten drei Jahrhunderten phasenweise ein sehr schweres Los. Dennoch fielen den Verfolgungen laut neuerer Forschung weit weniger zum Opfer, als so mancher Hollywood-Streifen glauben machen will.
Als erster Märtyrer gilt Stephanus, ein Diakon der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem, dessen die Christen am Stefanitag (26. 12.) noch heute gedenken. Er wurde nach der Überlieferung zwischen 36 und 40 nach Christi gesteinigt. Seine kritischen Aussagen bezüglich des jüdischen Tempelkultes wurden ihm zum Verhängnis. Treibende Kraft waren die Sadduzäer (jüdische Priester), die für ihren Machterhalt auch bereit waren, mit der römischen Besatzungsmacht zu kooperieren. Sie lieferten Stephanus ans Messer. Pikantes Detail: Der später zum Apostel Paulus mutierte römische Soldat Saulus überwachte die Steinigung.
Auch nach dem Tod des „Erzmärtyrers“ machte die jüdische Geistlichkeit mobil gegen die neue Christen-Bewegung, die eine Gefahr für die Grundfeste ihrer Strukturen darstellte. Dennoch wuchs die Zahl der Anhänger – viele wichen der Repression und flüchteten nach Kleinasien und bis in die damalige Machtzentrale der Welt – nach Rom.
Der Brand Roms
Dort schenkte man den „Jesus People“ zunächst kaum Beachtung und nahm sie als eine skurrile Sekte des Judentums wahr. Unter Kaiser Nero (54–68) rückten sie plötzlich ins Rampenlicht. Nachdem Gerüchte aufgetaucht waren, der Herrscher stehe hinter dem verheerenden Brand Roms (64 n. Chr.), ging dieser in die Offensive, machte die Christen verantwortlich und richtete ein Blutbad unter ihnen an. Doch: Diese singuläre, anlassbezogene Christenverfolgung war nicht gegen die neue Religion und deren Vertreter an sich gerichtet. Das sollte später folgen.
Faktum ist, dass die Nachfolger Jesu im Imperium Romanum in den ersten beiden Jahrhunderten nicht systematisch verfolgt wurden, sehr wohl aber gab es einzelne und regional begrenzte Übergriffe, die meist auf lokale Statthalter zurückgingen. Was aber nicht heißt, dass die Christen beliebt waren, im Gegenteil.
Zwar war Rom bekannt für seine Toleranz in religiösen Angelegenheiten, diese endete aber, wenn es um den Kaiserkult ging, der spätestens seit Augustus sehr dominant war. Diesen verweigerten die Christen naturgemäß, womit sie sich gegen die Rechtsordnung stellten. Auch ihre Ablehnung des Kriegsdienstes, ihre Treffen, die ohne Trennung der Geschlechter stattfanden, das gemeinsame Mahl und eine teilweise Gütergemeinschaft machte die Gruppe mehr als suspekt. Dazu kam, dass der Vollzug des Staatskultes – etwa für Jupiter – direkt mit dem Wohlergehen des Imperiums verknüpft wurde. Folge: Bei Katastrophen jeder Art wurden die Christen als Sündenböcke bestraft.
Die junge Glaubensgemeinschaft trotzte allen Widrigkeiten. Nachdem sie sich anfänglich eher aus unteren Sozialschichten rekrutiert hatte, traten immer mehr Wohlhabende bei – die Perspektive des ewigen Lebens in einem untergehenden Imperium war attraktiv. Damit wurde auch Geld in die leeren Kassen gespült. Zugleich wurden Strukturen aufgebaut (etwa das Bischofsamt). Mit der Festlegung des Kanon des Neuen Testaments um 180 n. Chr. kam zur äußeren auch die innere Stabilität der Frühkirche hinzu. Die Organisation nahm Form an.
Politische Gründe
Doch dann betrat Soldatenkaiser Decius (249–251) die Bühne. Das Reich war von allen Seiten bedrängt: Extern – im Osten von den Persern, im Norden und Westen von den Goten, den Alemannen und den Franken. Intern – durch das Auseinanderdriften der verschiedenen Reichsteile, die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sowie eine destabilisierte Führung. Die Christen gaben einen perfekten Blitzableiter ab und wurden erstmals im gesamten Hoheitsgebiet systematisch verfolgt. Das selbe Schema dann unter Valerian (253–260), der gezielt gegen die führenden Köpfe der wachsenden Glaubensschar vorging und so die Struktur zerstören wollte. Vergebens, das Martyrium Einzelner schweißte die anderen umso mehr zusammen.
Nach Valerian blieben die Christen vier Jahrzehnte lang weitgehend unbehelligt, konsolidierten sich und erreichten gleichsam den Break Even: Am Beginn des vierten Jahrhunderts soll ihr Anteil unter den 50 Millionen Einwohnern des Römischen Reiches schon bei 20 Prozent gelegen sein. Allein in Rom gab es zu dieser Zeit mehr als 40, teils pompöse Basiliken.
Doch Kaiser Diokletian (284–305) wollte es noch einmal wissen. Ab 303 verbot er christliche Gottesdienste, ließ Kirchen zerstören und Schriften verbrennen. Im Osten war die Verfolgung grausam, im Westen fand sie vor allem in Afrika statt.
Nach Diokletians Rücktritt (er war der einzige römische Kaiser, der freiwillig aus dem Amt schied) setzte Galerius die Repression gegen die Christen zunächst fort, räumte auf seinem Sterbebett aber mit dem Toleranz-Edikt von Nikomedia im Jahr 311 ein, dass die Verfolgung gescheitert war. Er gewährte der Glaubensgemeinschaft Religionsfreiheit – nicht ohne politisches Kalkül: Wenngleich in der Minderheit, waren die Christen in der Osthälfte des Reiches zu einem Machtfaktor aufgestiegen.
Zur Staatsreligion
Der Durchbruch war geschafft, dann ging es Schlag auf Schlag. Kaiser Konstantin (Alleinherrscher von 324 bis 337) ließ sich taufen. Unter Theodosius I. – von 379 bis 394 Kaiser im Osten und ab September 394 für einige Monate letzter Alleinherrscher des Gesamtreiches – wurde das Christentum 391 Staatsreligion.
Einst marschierten die koptischen Christen in Ägypten Seite an Seite mit Muslimen, um Staatschef Mubarak zu stürzen. Nachdem dies 2011 geglückt war, kam das böse Erwachen: Islamisten ergriffen die Macht, die Christen gerieten massiv in die Defensive. Kirchen wurden attackiert, Mitglieder der Glaubensgemeinschaft getötet. Der Arabische Frühling mündete – zumindest für die Christen in einigen Staaten – in einen düsteren Herbst.
Wobei die jetzt so bedrängten Minderheiten eine Teilschuld trifft: Im Land am Nil hatten die Christen zwar auch unter Mubarak wenig zu lachen, aber der autoritäre Präsident sorgte für die Sicherheit der Kopten und hielt die Islamisten in Schach. Deswegen standen die Religionsführer bis zuletzt an der Seite des Staatschefs. Für viele zu lange.
Gleiches gilt für Syrien, wo ein Bürgerkrieg tobt. Hier hatten sich die Christen über Jahrzehnte mit dem Regime arrangiert. Sie zogen aus dem Unrechtssystem Nutzen und tun das mitunter noch heute. Aus Furcht davor, dass nach einem Abgang von Bashar al-Assad Islamisten die Macht übernehmen könnten – tatsächlich gewinnen sie an Einfluss –, stützen vor allem die führenden Köpfe der Christen in Syrien weiterhin den wankenden Staatschef.
Doch auch schon vor den Umbrüchen in der arabischen Welt gerieten Christen in der Region ins Visier. Allen voran im Irak – auch hier hielt Diktator Saddam Hussein seine schützende Hand über die Glaubensgemeinschaft. Doch nach dem US-Einmarsch im März 2003 gerieten die Christen im allgemeinen Chaos zwischen alle Fronten. Ein Massenexodus setzte ein: Von den ursprünglich eineinhalb Millionen Christen blieben nur rund 500.000.
Besonders prekär ist die Situation der Glaubensgemeinschaft in Nigeria, wo die radikal-islamistische Terrorgruppe Boko Haram fast an jedem Wochenende Bomben vor Kirchen zündet. In Saudi-Arabien ist Christen die Ausübung ihres Glaubens generell verboten, Muslimen, die konvertieren, droht die Todesstrafe. Und in Nordkorea ist laut der Organisation „Open Doors“, die sich weltweit gegen Christen-Verfolgungen einsetzt, die Lage am schlimmsten: 70.000 nordkoreanische Glaubensbrüder- und -schwestern seien in Lagern interniert.
Global würden 100 Millionen Christen verfolgt.
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn wird sich heute, Dienstag, in einer schlichten liturgischen Feier in der Andreas-Kapelle im Erzbischöflichen Palais von seinen Mitarbeitern verabschieden, um danach nach Rom zu reisen. Das Datum seiner Rückkehr ist völlig offen, denn Schönborn wird vor Beginn der Papstwahl, des Konklaves, nicht mehr zurückkehren – und erst dann wieder in die Bundeshauptstadt fliegen, wenn im Vatikan weißer Rauch aufgestiegen und der Spruch erfolgt sein wird: Habemus Papam (Wir haben einen Papst).
Das Wahlprozedere dürfte nach dem am Montag von Benedikt XVI. erlassenen Dekret nun schon früher starten. Der scheidende Pontifex Maximus hat den Modus geändert. Ursprünglich mussten zwischen dem Ableben oder Rücktritt eines Papstes und dem Startschuss für das Konklave rund zwei Wochen liegen, um den wahlberechtigten Kardinälen aus der ganzen Welt die Anreise zu ermöglichen. Jetzt können die Diskussionen und Urnengänge schon dann beginnen, wenn zwei Drittel der Purpur-Träger anwesend sind. Dieses Quorum dürfte schnell erfüllt sein, da ein Großteil der Kardinäle schon bei der letzten Generalaudienz des Heiligen Vaters, Mittwoch, oder spätestens am Tag des Rücktritts Benedikts, am 28. Februar, im Vatikan sein wollen.
Somit gehen Experten davon aus, dass die Papstwahl schon in der ersten Märzhälfte beginnt – der genaue Termin soll übermorgen, Donnerstag, bekannt gegeben werden. Das Konklave soll dann spätestens vor Beginn der Karwoche (24. März) abgeschlossen sein, die Feiern zum höchsten Fest der Katholiken sollen bereits vom neuen Kirchen-Oberhaupt geleitet werden.
Affäre um Kardinal
Indes hat ein Kardinal nach einer angeblichen Missbrauchsaffäre seine Teilnahme an der Papstwahl abgesagt. Der 74-jährige Schotte Keith O’Brien begründete seinen Rückzieher damit, dass sich die „Aufmerksamkeit der Medien nicht auf mich konzentrieren“ soll. Der Geistliche soll vor 33 Jahren Priesteranwärtern nach den Abendgebeten in unangemessener Form nahegekommen sein. Nachdem ein indonesischer Kardinal aus Gesundheitsgründen die Reise nach Rom nicht antreten wird, werden 115 Purpur-Träger den Nachfolger Benedikts wählen.
Dieser traf am Montag noch einmal die Ermittler im Vatileaks-Skandal. Der letzte Geheimbericht der drei emeritierten Kardinäle vom Dezember 2012 soll ein derart katastrophales Bild vom Zustand der römischen Kurie gezeichnet haben, dass sich der Papst definitiv zum bereits angedachten Rücktritt entschlossen haben soll.