Heimskandal: Firma beweist Zahlungen
Allein im Arbeitsmonat November 1980 hat Claudia K. Lampenschirme für 7298,41 Schilling angefertigt. Das Geld wurde von der Firma EGLO-Leuchten am 4. Dezember 1980 überwiesen. Nicht an Claudia K., sondern vereinbarungsgemäß an die Landeserziehungsanstalt St. Martin in Schwaz in Tirol.
Wie der KURIER berichtete, haben ehemalige Heimkinder bis in die 1980er-Jahre für externe Firmen gearbeitet. Für Swarovski (Anfertigung von Kristallbändern) und das Bundesheer (Wäsche waschen und bügeln) wurden die Arbeiten im Heim St. Martin durchgeführt. Der Marmeladen-Hersteller Darbo ließ die 15- bis 18-jährigen Mädchen im eigenen Werk arbeiten, für die Firma EGLO-Leuchten sind beide Arbeitsweisen dokumentiert.
Bei allen gleich (nur bei Swarovski derzeit noch nicht belegt): Der Verdienst ging direkt ans Heim. Viele ehemalige Heimkinder – die Vorwürfe reichen bis in die 1960er-Jahre zurück – beklagen heute, dass die Erziehungsanstalt ihnen den Lohn größtenteils oder komplett vorenthalten habe.
Das Beispiel Claudia K. zeigt, dass reichlich Geld in die Heimkassa gespült wurde: Die 7298,41 Schilling aus 1980 entsprechen inflationsbereinigt der heutigen Kaufkraft von rund 1200 Euro. "Das ist aber nur ein Monat und nur eine Arbeiterin", sagt Ludwig Obwieser, Gesellschafter von EGLO. Da viele Heimzöglinge für Firmen gearbeitet haben, sei davon auszugehen, dass monatlich zigtausend Schilling auf das Konto des Heimes überwiesen wurden.
Nicht versichert
Zusätzlich zum Tragen kommt, dass keines der Mädchen aus St. Martin pensions- oder krankenversichert war. Wie der Historiker Horst Schreiber berichtet, hat die Tiroler Opferschutzkommission darauf bereits im Juli 2010 hingewiesen und der Landesregierung empfohlen: Es "sollen daher all jene Heimzeiten angerechnet werden, in denen sie nicht sozialversichert waren".
Der Druck von Medien und Firmen hat die Tiroler Landesregierung veranlasst, eine Kommission zur Arbeit in Heimen einzurichten. Am Dienstag , so hieß es aus dem Büro von Soziallandesrat Gerhard Reheis (SPÖ), soll die Zusammensetzung des Gremiums besprochen worden sein.
Swarovski, Darbo und EGLO haben bereits Kontakt mit ehemaligen Heimkindern aufgenommen. Ludwig Obwieser von EGLO fordert die Tiroler Politik auf, rasch zu klären, in welchen Kanälen der Lohn der Heimkinder möglicherweise versickert ist.
Dem Land kann bei der Suche geholfen werden: Die noch immer existierende Kontonummer des Tiroler Landeserziehungsheimes St. Martin bei der Sparkasse Schwaz ist der Firma EGLO und dem KURIER bekannt.
Heer sucht Kontakt zu Betroffener
Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Bundesheer-Soldaten haben den Tiroler Militärkommandanten Herbert Bauer "schwer erschüttert". Mittels der im KURIER erschienenen Fotos, die den Maskenball im Heim St. Martin zeigen, bei dem zumindest eine 16-Jährige vergewaltigt worden sein soll, und durch ein Gespräch mit der Betroffenen, der heute 61-jährigen Hanni P., will Bauer der Sache auf den Grund gehen.
Am Montag hat Generalmajor Bauer eine dreiköpfige Untersuchungskommission gegründet, der er selbst vorsitzt. Dem Gespräch mit dem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer Hanni P. wird auch deren Psychologin beiwohnen. Einen Termin gibt es noch nicht.
Dann gilt es zu klären, welche ehemaligen Offiziere oder Unteroffiziere auf den Fotos erkennbar sind. Sie könnten wichtige Zeugen sein.
-
Hintergrund
-
Hintergrund