Geheimdienste: Anschlag auf Putin verhindert
Von Stefan Schocher
Kommenden Sonntag wird gewählt in Russland. Premier Wladimir Putin will zum dritten Mal Präsident werden, die öffentliche Meinung setzt ihm aber ordentlich zu. Seit der Parlamentswahl vergangenen Dezember sieht sich die russische Führung beispiellosen Massenprotesten ausgesetzt – und dann das.
Kaum eine Woche vor dem entscheidenden Urnengang tischte das russische Staatsfernsehen den Wählern folgende Nachricht auf: In der ukrainischen Hafenstadt Odessa habe der Geheimdienst SBU eine Zelle von Islamisten ausgehoben, die ein Attentat auf den Premierminister mit präsidialen Absichten geplant hätten. Zwei Personen seien in Haft, ein dritter Verschwörer sei bei der Explosion einer selbst gebauten Mine gestorben.
Unterfüttert wird die Meldung mit den auf Video aufgezeichneten Geständnissen zweier Männer. Einer von ihnen ist offensichtlich verwundet und sagt: Plan sei es gewesen, einen Anschlag auf Wladimir Putin zu verüben – vor oder knapp nach den Präsidentenwahlen in Russland am Sonntag. In Odessa hätten sie lernen sollen, Bomben zu bauen. Den Auftrag hätten sie von Doku Umarow erhalten.
Umarow ist der selbst ernannte Emir des kaukasischen Emirats, einer islamistischen Terrororganisation, die ihre Wurzeln im tschetschenischen Widerstand hat und die heute für einen islamischen Staat im Nordkaukasus kämpft. Umarow hat sich zu einer ganzen Reihe von großen Anschlägen in Russland bekannt. Unter anderem zu den Attentaten auf die U-Bahn in Moskau 2010 mit knapp 40 Toten und auf den Moskauer Flughafen Domodedowo im Jänner 2011 mit 36 Opfern.
Von russischer Seite gab es zu den Medienberichten über Umarows Mordplan zunächst nur knappe Kommentare. Putins Pressesprecher bestätigte zwar, dass ein entsprechender Attentatsplan aufgeflogen sei, wollte dazu aber noch keine weiteren Kommentare abgeben.
Viele Fragen
Sonderbar mutet der Zeitpunkt der Veröffentlichung an. Denn die Vorkommnisse von Odessa hatten sich bereits Anfang Jänner ereignet. Nach einer Explosion in einer gemieteten Wohnung und einem Brand wurden in der Stadt zwei Personen verhaftet: Ilja Pjansin und der seit drei Jahren per internationalem Haftbefehl gesuchte Adam Osmajew. Das dritte Mitglied der Gruppe, Ruslan Madajew, war bei der Explosion getötet worden. Er soll nach Aussagen Osmajews dazu bereit gewesen sein, als Selbstmordattentäter zu fungieren. Alle Beteiligten sind russische Staatsbürger.
Gegner Putins stellen jetzt die Frage in den Raum: Warum werden solche Informationen gerade jetzt von den russischen Staatsmedien hinausposaunt? Und wie kommt das russische TV exklusiv an Aufnahmen, die der ukrainische Geheimdienst SBU gemacht hat? Ein äußerst unüblicher Vorgang. Kritiker vermuten hinter dem ganzen Trara daher einen PR-Trick der Mannen um den Premier, der zwar nicht um seine künftige Präsidentschaft bangen, aber unter Umständen eine Stichwahl in Kauf nehmen muss.
Zweifel
Dabei hegen nicht nur eingefleischte Oppositionelle Zweifel. Der Präsident der Veteranenvereinigung der Sondereinheit ALPHA des russischen Geheimdienstes FSB, Sergei Gontscharow, sagte in einem Gespräch mit dem kritischen Radiosender Echo Moskwy , die Verhafteten seien kaum in der Lage gewesen, einen Anschlag solchen Ausmaßes durchzuführen. Gontscharow, der zugleich in der Stadtduma Moskaus sitzt, spricht von einem PR-Gag. So, wie sich schon rund ein Dutzend über die Jahre aufgedeckte angebliche Mordpläne gegen Putin als PR-Aktionen herausgestellt hätten.
Putin hat in den Monaten seit der umstrittenen Parlamentswahl viel an Boden verloren. Am Sonntag kann er nur mit einem knappen Sieg im ersten Wahlgang rechnen. Und zumindest einmal hat ihm das Einschwören der Öffentlichkeit auf den „tschetschenischen Feind“ eine Wahl gerettet: 1999, als Wohnhäuser in Moskau in die Luft flogen, was zum Auslöser für den zweiten Tschetschenien-Krieg werden sollte – und die öffentliche Meinung bei der Wahl im Jahr 2000 sehr zu Putins Vorteil beeinflusste.