Fahndung nach zwei Pussy-Riot-Mitgliedern
Russlands Justiz nimmt weitere Mitglieder der kremlkritischen Punkband Pussy Riot ins Visier. Die Behörden schrieben am Montag zwei Aktivistinnen der Band zur Fahndung aus, die ebenfalls am Punkgebet gegen Präsident Wladimir Putin in einer Moskauer Kirche teilgenommen haben sollen. Auch diesen beiden Frauen würden Gefängnisstrafen wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" drohen, sagte ein Polizeisprecher nach Angaben der Agentur Interfax.
Am vergangenen Freitag hatte ein Gericht drei Pussy-Riot-Mitglieder zu je zwei Jahren Straflager verurteilt. Eine internationale Protestwelle war die Folge. Kritische Experten und Regimegegner sind sich einig. Zwar missbilligen viele die Aktion selbst. Einig sind sich weite Teile der Nation aber, dass das Urteil das Ende der Rechtsstaatlichkeit in Russland bedeutet.
Das Verdikt, so der prominente TV-Journalist Nikolai Swanidse, der historische Dokus beim Staatssender RTR betreut, habe Tür und Tor für Willkür im Kampf gegen Andersdenkende geöffnet. Und Grigori Jawlinski, Gründervater der sozialliberalen Jabloko-Partei, sieht Russland weiter in Totalitarismus und Theokratie abgleiten. Sogar Michail Fedotow, Beauftragter für Menschenrechte und Zivilgesellschaft beim Präsidenten und damit ein Staatsdiener, kritisierte das Urteil.
Autorallye und Flashmobs
Neuer Widerstand formiert sich. Am Samstag endet in Moskau eine landesweite Autorallye von Regimegegnern, die durch Großstädte Zentralrusslands und Sibiriens führte. Schon in Folge des Urteils war es zu Flashmobs gekommen, bei denen Teilnehmer Pussy-Riot-Masken trugen. Mit Masken und weißen Bändern als Zeichen der Gewaltlosigkeit wollen Regimegegner auch im Herbst wieder landesweit gegen Justizwillkür und soziale Grausamkeiten protestieren. Und es laufen Bemühungen, der heterogenen Protestbewegung ein Programm und arbeitsfähige Strukturen zu geben. Beides ist Voraussetzung für die Wandlung der Bewegung zur Opposition und war bereits Thema eines runden Tisches, wo vier Kernpunkte erarbeitet wurden.
Priorität hat demzufolge der Kampf für die Freilassung politischer Gefangener. Genauso wichtig, so Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow, sei es, dass der Protest über Moskau hinaus expandiere. Bisher revoltieren in Russland in der Tat vor allem gut verdienende Großstädter. Schon die Perestroika aber hat gezeigt, dass die Macht erst Proteste mit mindestens einer Million Teilnehmern ernst nimmt. Daher, so Kasparow, müsse vor allem auf dem Land die Aufklärungsarbeit verstärkt werden.
Auf Hochtouren laufen auch Vorbereitungen für die virtuelle Wahl eines Koordinationsrates, bei dem je ein Drittel der Plätze an den liberalen, den linken und den nationalistischen Flügel der Protestbewegung gehen soll. Nur durch absolute Fairness und Transparenz der Abstimmung im Internet, so der liberale Oppositionsführer Boris Nemzow, könne die Opposition das Vertrauen der Massen gewinnen und sich als reale Alternative positionieren.