Politik

Ex-Gesundheitsministerin rechnet in Buch ab

Knapp ein Jahr (Jänner 2007 bis Dezember 2008) war Andrea Kdolsky ÖVP-Gesundheits-und Familienministerin. Sie galt als schrill – und für eine Politikerin als zu emotional, weil sie Privates öffentlich machte. Mit ihren Reformplänen für das Gesundheitswesen, das staatliche Aufsicht in die Qualitätskontrolle und medizinische Versorgungszentren bringen sollte, brachte Andrea Kdolsky die Ärzteschaft bis zum Streik.

Ihr Reformverlangen ist ungebrochen. Sie verfolgt es heute als Bereichsleiterin der "Health Care Services" beim Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers Österreich. Im Sachbuch "Hauptsache Gesund", das im Mai erscheint, beschreibt sie das komplexe System mit allen Spielern samt deren Interessen. Sie analysiert Defizite und Fallstricke.

Als Vehikel dient eine in Wien lebende Familie Kriehuber. Hauptfigur Anna, Mann Max, Tochter Ursula und Verwandte, geraten wie jeder andere auch in Kontakt mit Ärzten und Spitälern. Was sie erleben, wie sie sich dabei fühlen und wie sie sich als möglichst mündige, weil zahlende Patienten einbringen, nimmt Kdolsky als Aufhänger für ihre Analysen und die Kernfrage: ob das hohe Gut Gesundheit in Gefahr ist.

Die Ex-Ministerin spricht aus, was Verantwortliche nicht gerne sagen: Dass Österreich, gemessen an den Ausgaben, nicht das gern zitierte beste Gesundheitssystem der Welt hat. Dass es oft nur dann eine rasche, effiziente, dem Menschen entgegenkommende Behandlung gibt, wenn es Kontakte gibt, die weiterhelfen. Der KURIER fasst drei Beispiele, Probleme und Lehren des Buches daraus zusammen.

Alle Inhalte anzeigen

Mangelhafte Versorgung durch niedergelassene Ärzte, weil sie nicht sieben Tage die Woche 24 Stunden erreichbar sind

Freitag Früh, Ursula, 22 Monate alt, fiebert hoch. Anna, sehr besorgt, sucht einen Mediziner. Der praktische Arzt hat zu, der Kinderarzt ist noch nicht da, der Ärztenotdienst nicht zuständig. Anna geht in eine Spitalsambulanz, die überfüllt ist. Es wird eine bakterielle Angina diagnostiziert, Medikamente und Therapie verordnet. Anna stellt fest, dass der Zugang zu einer Spitalsambulanz einfacher ist, als eine offene Arztpraxis zu finden.

Problem: Die Versorgung in einer Spitalsambulanz ist wegen der Gesamtkosten, die es in einem Spital gibt (etwa Personal), teurer als beim niedergelassenen Arzt. Als Ausweg nennt Kdolsky mehr besser dotierte niedergelassene Stellen. Eine Sache, die Krankenkassen und Ärztekammern zu vereinbaren hätten, aber nicht tun, weil die Kassen sparen müssen – und die Ärztekammern nicht wollen, dass sich mehr Ärzte den in etwa gleich groß bleibenden Kuchen teilen müssen. Mehr Qualität soll ein Facharzt für Allgemeinmedizin und damit die Modernisierung der Ausbildung praktischer Ärzte bringen. Zusammenschlüsse von Ärzten seien zu fördern.

Pflege und Betreuung alter Menschen, damit sie möglichst lange eigenständig leben können

Max’ Mutter, Frau Kriehuber, hat sich nach dem Tod ihres Mannes verändert. Sie ist für ihre Umwelt kaum ansprechbar. Bei einem Sturz zieht sie sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. Sie wird operiert, danach wird ambulante Rehabilitation empfohlen. Ein Gutachten – auf Initiative der Familie – ergibt eine Depression, die behandelt wird. Weil niemand Zeit hat, sie regelmäßig zur Reha zu bringen, organisiert die Familie eine Kurzzeit-Pflege in einer Einrichtung. Nach einiger Zeit kann sie nach Hause und findet sich im Alltag wieder zurecht.

Problem: Was, wenn Frau Kriehuber niemanden hat, der sich um sie kümmert? Die Zahl der Älteren steigt stark. Heute werden rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause von Angehörigen versorgt. Dieser Prozentsatz wird aufgrund sich ändernder Familienstrukturen sinken. Kdolsky spricht von steigender Knappheit bei Betreuungs- und Pflegeplätzen sowie steigenden Kosten, wenn die Politik nicht endlich gegensteuert. Pflegelandschaft und Betreuungsformen müssten ausgebaut werden, in moderne Ausbildung von Fachkräften sei zu investieren. Teure Spitalsbetten sollten zu Pflegebetten werden.

Leistungen der Kassen

Anna hat Brustkrebs, der dank Selbstuntersuchung früh diagnostiziert und operiert wird. Es folgen Therapien samt Nebenwirkungen. Auf Rat einer Freundin kauft sie Unterstützung durch naturheilkundliche Verfahren zu, die die Folgen der Krebstherapie mildern.

Problem: Die Krankenkassen gelten solche Verfahren, die sich bewährt haben, nicht ab, obwohl sie in gewissen Fällen günstiger sind als üblich Therapien und zur rascheren Genesung beitragen. Nur, wer es sich leisten kann, profitiert. Weniger Krankenkassen, österreichweit gleiche Kassen-Leistungen auf dem neuesten Stand – das wäre laut Kdolsky nötig.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Kommentar