Politik

Erde an ÖVP-Mars, bitte melden!

Totgesagte leben länger, eh klar. Trotzdem darf man sich schön langsam ausmalen, wie die österreichische Politik dereinst ohne ÖVP ausschauen würde. Ihre Liste der Fehler, Peinlichkeiten, und vergebenen Chancen wird täglich länger. Natürlich ist Michael Spindelegger ein Unglücksrabe, weil ausgerechnet er von den herumfliegenden U-Ausschuss-Trümmern getroffen wird. Aber das enthebt ihn nicht der Verantwortung für das amateurhafte ÖVP-Krisenmanagement. Es reicht nicht, sich (glaubwürdig) als graue Maus mit Verantwortungsgefühl plakatieren zu lassen. Auch der Versuch einer Schadensbegrenzung mittels Partei-Verhaltenskodex verstärkte nur die vorherrschende Schuldsvermutung. Nicht einmal die Orangen, die eigentlich im Zentrum des Orkans stehen müssten, kommen derzeit schlechter weg.

Steinzeitlich und dilettantisch

Die schwarze Strategie-Abteilung, so es eine gibt, scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein. Denn eine Fibel mit Dirty-campaigning-Inhalten gegen Rot-Grün an Hunderte Funktionäre zu verschicken, ist aus der Steinzeit, beziehungsweise purer Dilettantismus. Abgesehen davon könnte der Zeitpunkt nicht schlechter sein, haben sich die Grünen doch gerade staatstragend gezeigt, indem sie im Parlament für ESM und neue Parteienfinanzierung stimmten. In der schwarzen Broschüre wird zudem gegen die Gesamtschule gewettert, während eine von der ÖVP eingesetzte Expertengruppe gleichzeitig die schulische Trennung der Kinder mit zehn anprangert. Wenn man kein Glück hat, kommt Pech auch noch dazu, könnte man sagen. Selbst wenn es im politischen Tagesgeschäft einmal ausnahmsweise aufgelegte Elfer gibt (Martin Grafs Stiftung, Uwe Scheuchs Verfahren), dann ist eine Partei garantiert unfähig, sie zu verwandeln: die ÖVP.

Nur die Wiener punkten Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die schwächste Landespartei, die Wiener ÖVP, momentan am erfolgreichsten handelt. Der neue Chef Manfred Juraczka hat die grüne Verkehrsstadträtin mit einer Anti-Parkpickerl-Kampagne in Bedrängnis gebracht. Die Wiener Grünen reagieren darauf erstaunlich humorlos – mit Trotz und Nervosität.

Man kann die Volkspartei mögen oder nicht –, aber prinzipiell ist es gut und wichtig, wenn es eine große, verantwortungsvolle Mitterechtspartei im Parlament gibt, die sich – zumindest früher einmal – für wirtschaftliche Vernunft engagiert und nicht jedem populistischen Unsinn nachgibt. Mittlerweile kriegt es offenbar sogar die SPÖ mit der Angst zu tun, dass ihr der Koalitionspartner unter den Fingern zerbröselt. Wie sonst ist zu erklären, dass sie sich derzeit mit Sticheleien so zurückhält?

Und wer füllt das Vakuum, das die ÖVP hinterlässt? Weder mit obskuren Piraten noch mit Stronachs Marionetten oder Haiders orangen Erben ist ein Staat zu machen. Das Land wird außerdem nicht regierbarer, wenn noch mehr Parteien eine Koalition bilden. Aber darauf wird man sich künftig wohl einstellen müssen.