Die Firma Darbo zahlt die Löhne nach
Das sind ja so nette Burschen, so menschlich, das hätte ich mir nicht erwartet", sagt das ehemalige Heimkind Christine J. Sie war Ende der 1970er-Jahre in der berüchtigten Erziehungsanstalt St. Martin in Schwaz in Tirol und arbeitete einige Monate außerhalb der Heimmauern für den Marmeladen- und Fruchtsaft-Konzern Darbo.
Die "netten Burschen" sind Martin Darbo und einer seiner Brüder. Sie leiten das Familienunternehmen und waren am Mittwoch bei Christine J. zu Gast. "Es kann nicht sein, dass jemand umsonst für uns gearbeitet hat", sagte Martin Darbo bereits vergangene Woche im KURIER-Interview.
Äpfel sortieren
Die 50-jährige Christine J. ist Ende der 1970er-Jahre für etwa zweieinhalb Monate bei Darbo beschäftigt gewesen. "Kartons zerschneiden, Äpfel sortieren und so." Sie sei, wie andere aus St. Martin, "froh gewesen", dass sie dort arbeiten konnte. "Da sind wir wenigstens einmal aus dem Heim rausgekommen." Dennoch – Darbo hat, wie andere Firmen auch, den Lohn vereinbarungsgemäß direkt an die Erziehungsanstalt St. Martin überwiesen. Was mit dem Geld dort geschah, ist nach wie vor rätselhaft. Die 15 bis 18 Jahre alten Mädchen sollen davon so gut wie nichts gesehen haben.
Die Brüder Darbo besuchten mittlerweile mehrere ehemalige Arbeiterinnen aus dem Heim. "Wir haben bereits persönliche Gespräche geführt", sagt Martin Darbo. "Diese haben allerdings in vertraulichem Rahmen stattgefunden, weshalb ich über den Inhalt nichts nach außen tragen will."
Heutiges Gehalt
Die ehemaligen Arbeiterinnen berichten jedoch, dass Darbo ihnen die Löhne nachzahlt. Lydia, ebenfalls in den späten ’70ern von St. Martin aus im Darbo-Werk tätig, bekommt vier Monatslöhne. "Dabei wollt ich nur aufzeigen, was die im Heim mit uns gemacht haben. Dass ich Geld kriege, hab’ ich gar nicht gewusst."
Christine J. bekommt etwa zweieinhalb Monate Lohn von Darbo überwiesen. "Ich hab’ den Brüdern gesagt, dass ich nicht einsehe, dass sie nochmal für uns bezahlen. Sie haben ja den Lohn bereits einmal ans Heim geschickt." statt. "Der Lohn für die damals geleistete Arbeit wird nach 30 Jahren ein zweites Mal und dem heutigen Lohnniveau entsprechend überwiesen", erklärt Martin Darbo, "Wir werden die doppelt bezahlten Löhne von denjenigen zurückfordern, die das Geld damals pflichtwidrig einbehalten haben." Damit steigt der Druck auf das Land Tirol, beziehungsweise auf die damalige Leitung des mittlerweile geschlossenen Landeserziehungsheimes.
Wie berichtet, hat das Land Tirol kurz nach dem Erscheinen der KURIER-Berichte über die vermutlich einbehaltenen Löhne der ehemaligen Heimkinder eine eigene Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Neben Darbo haben sich auch das Kristall-Unternehmen Swarovski und der Leuchtenhersteller EGLO bereit erklärt, die Arbeitsbedinungen in Tiroler Heimen aufzuarbeiten. Mittlerweile tauchen bereits Namen weiterer Firmen auf, für die Heimkinder arbeiten mussten.
Sparbuch des Glücksengerls war einfach weg
Systematische Arbeiten für Unternehmen, wie sie in der Tiroler Erziehungsanstalt St. Martin in den 1960er-, ’70er- und ’80er-Jahren üblich waren, sind aus Wiener Heimen noch nicht bekannt.
Aber auch in der Bundeshauptstadt tauchen mittlerweile Vorwürfe ehemaliger Heimzöglinge auf, für Arbeit kein Geld bekommen zu haben. Evelyn L. war etwa acht Jahre alt, als sie "für die Lotterien" Glücksengerl spielen durfte. Vom Heim Pötzleinsdorf wurde das Mädchen "in einen Saal mit Gästen und Podium und einem Notar" gebracht. Dort drehte sie "eine Glastrommel" und zog Lose. "Das hat mir Spaß gemacht, weil es eine Wurstsemmel und Cola gegeben hat."
Mehrmals sei sie als Glücksengerl aufgetreten. "Und mir wurde gesagt, dass ich für jeden Auftritt 500 Schilling auf ein Sparbuch bekomme." Als sie das Heim verließ, sei von einem Sparbuch keine Rede mehr gewesen. Evelyn L. fragt sich heute: "Wo ist das Geld hingekommen?"
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