Politik

Deutschland: Geschäfte mit Spenderorganen

Im Organspende-Skandal in Deutschland gibt es neue Vorwürfe: Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, werden immer mehr Spenderorgane an der offiziellen Warteliste vorbeigeschleust. Jedes vierte Herz, jede dritte Leber und jede zweite Bauchspeicheldrüse werden direkt von den Krankenhäusern an selbst ausgesuchte Patienten vergeben. Vor zehn Jahren sei der Anteil der im sogenannten beschleunigten Vermittlungsverfahren vergebenen Organe noch unter zehn Prozent gelegen, heißt es in dem Bericht.

Dieses Verfahren soll dann angewendet werden, wenn Organe von älteren oder kranken Spendern zur Verfügung stehen, für die es nur wenige geeignete Empfänger gibt. Unter Experten gilt es jedoch als anfällig für Manipulationen. Eugen Brysch, der Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, sprach gegenüber der Frankfurter Rundschau von einer "Einflugschneise für Manipulationen". Er forderte Aufklärung darüber, wie der Anstieg der im beschleunigten Verfahren vergebenen Organe zustande gekommen sei.

 

Ausnahme wird zur Regel

Was früher eine Ausnahme war, sei heute zur Regel geworden, kritisiert die Zeitung. Der Anteil der beschleunigten Vermittlung bei der Leber stieg in den vergangenen zehn Jahren von 9,1 auf 37,1 Prozent. Beim Herz stieg der Wert von 8,4 auf 25,8 Prozent, bei der Lunge von 10,6 auf 30,3 Prozent. Die größte Steigerung wurde bei der Bauchspeicheldrüse festgestellt – von 6,3 auf 43,7 Prozent.

Wie berichtet waren in den vergangenen Wochen Vorwürfe gegen hochrangige Mediziner laut geworden, Krankenakten manipuliert zu haben, damit bestimmte Patienten schneller an ein Spenderorgan kamen. An der Uniklinik Göttingen steht neben dem früheren Oberarzt ein weiterer leitender Arzt im Verdacht, Akten manipuliert zu haben.

 

Krankendaten gefälscht

Der Oberarzt soll zuerst in Regensburg und später in Göttingen Krankendaten gefälscht haben – ihm wird vorgeworfen, die Krankheit auf dem Papier verschlimmert zu haben, damit den Patienten schneller eine neue Leber implantiert wurde. Von 2004 bis 2006 sollen in Regensburg in 23 Fällen Patientendaten manipuliert worden sein. Der Arzt, der seit November suspendiert ist, bestreitet die Vorwürfe.

Die Staatsanwaltschaften Braunschweig und Göttingen ermitteln wegen Bestechlichkeit beziehungsweise wegen des Anfangsverdachts auf Tötungsdelikte: Es wird untersucht, ob die Bevorzugung bestimmter Patienten zum Tod anderer Menschen geführt haben könnte, die dringender ein Spenderorgan benötigten.

Ermittler werten derzeit die Krankenhausakten aus. Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen – mit ersten Untersuchungsergebnissen wird frühestens in zwei Wochen gerechnet.

Europa: Die Wartelisten für Spenderorgane sind lang

Die Stiftung Euro­transplant mit Sitz in den Niederlanden ist für die Zuteilung von Organen in sieben europäischen Ländern, darunter Österreich und Deutschland, verantwortlich. Vermittelt werden jährlich rund 7000 Spenderorgane. Doch mehr als 15.000 Menschen stehen auf der zentralen Warteliste. Und allein in Deutschland ist der Bedarf höher – er liegt bei 12.000 Organen pro Jahr. In Österreich stehen rund tausend Patienten auf der Warteliste.

In Deutschland sind Organspenden derart geregelt, dass man sich aus eigener Initiative dazu bereiterklären muss – per Organspendeausweis oder gegenüber den Angehörigen.

In Österreich gilt die Widerspruchsregelung: Es ist zulässig, Verstorbenen Organe zu entnehmen, um das Leben eines anderen Menschen zu retten. Wer dies nicht möchte, muss die Organspende in einer Erklärung ausdrücklich ablehnen. 1995 wurde dafür ein Widerspruchsregister beim Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen eingerichtet; knapp 24.000 Menschen sind dort eingetragen.

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