Politik

Der große Schwindel mit Teppichen

Ich würde niemals eine Türkeireise buchen, wo der Besuch eines Teppichgeschäfts auf dem Programm steht", sagt Konstantin Bekos. Er ist Österreichs Handelsdelegierter in der türkischen Hauptstadt Ankara. Über ihn laufen die Beschwerden, wenn wieder einmal ein Tourist ausgenommen worden ist. „Vor allem österreichische und deutsche Touristen werden um rund 40 Millionen Euro jährlich regelrecht betrogen", berichtet ein Insider.

Der KURIER sprach mit Reiseführern, Opfern, Konsumentenschützern, Kriminalisten, Zöllnern und Experten. Fazit: Die Abzocke, mit der unwissende Türkeiurlauber übers Ohr gehauen werden, wird immer unverfrorener.

Besonders drei Firmen in Österreich und Deutschland sind aktiv. Sie transportieren rund 150.000 Billig-Touristen jedes Jahr an den Bosporus. In der Branche nennt man das „Minusreisen". Das bedeutet, dass der Tourist bei der Buchung weniger zahlt, als Flug und Hotel tatsächlich kosten, aktuell 129 bis maximal 400 Euro. Seriöse Reiseveranstalter rechnen alleine 170 Euro durchschnittlich nur für den Flug.

Das "Geschäftsmodell"

Das Interessante aber ist, dass von diesem Reisepreis kein Cent in die Türkei oder in Flugtickets fließt, wie hinter vorgehaltener Hand erzählt wird. Die Reisen sollen ausschließlich von den türkischen Teppichfirmen vorfinanziert werden. Dieses Geld müssen sie demnach über Wucherverkäufe refinanzieren. Das Ziel der gesamten Reise ist somit, dass die Touristen in den Geschäften möglichst kaufen – sonst ist die Reise ein Minusgeschäft für die Veranstalter. Alle anderen Ziele, die während der Reise besucht werden, sind reine Staffage.

Leder, Schmuck und Teppiche sind die Objekte, die an den Mann gebracht werden (müssen). 80 Prozent der Teppiche sind in China in Maschinen gefertigt, sagen Experten. Die Tricks der Verkäufer sind gut, die Interessenten werden von der Gruppe getrennt, in Separees gebracht und dort „bearbeitet".

Der 63-jährigen Oberösterreicherin Gertraud S. wurden so Teppiche als Wertanlage für die Pension angedreht, sie legte ihre gesamten Ersparnisse (rund 60.000 Euro) in zwei Teppichen an, die nicht einmal die Hälfte wert waren. Ein hoher Beamter eines österreichischen Ministeriums kaufte Lederwaren, Schmuck und Teppiche um knapp 50.000 Euro ein. „Eine nachträgliche Expertenschätzung in Wien ergab, dass die Ware keine 20.000 Euro wert ist. „Um die Differenz hätte ich mir ein schönes Auto kaufen können", berichtet er.

„Es gibt aber genügend Leute, die um zwei- bis dreihunderttausend Euro einkaufen", berichtet ein türkischer Reiseführer. Teilweise werden Wechsel ausgestellt, bei denen man auf sein Rücktrittsrecht verzichtet.

Erpressbar

Die meisten Opfer schämen sich anschließend so, dass sie nicht einmal ihrer Familie davon erzählen. Dazu werden die Käufer erpressbar, denn die Ware kann nicht aus dem Geschäft direkt mitgenommen werden, sondern wird nach Hause geliefert. Der Trick: Die Ware wird am Zoll vorbeigeschmuggelt. „Ich müsste mich eigentlich selbst anzeigen wegen Zollvergehen", sagt der Ministeriumsbeamte, der auf einem Haufen überteuerter Ware sitzt. Wie Tausende andere Österreicher auch.

Teppichfahrten und ein Stasi-Mitarbeiter

Die Reiseveranstalter selbst bleiben bei der Abzocke unbehelligt. „So etwas ist Wucher, aber keine Betrugshandlung", sagt Mario Hejl vom Bundeskriminalamt. Die Veranstalter gehen dabei durchaus klug vor und gründen verschiedenste Subfirmen, über die dann „spezielle Angebote" für bestimmte Großfirmen oder Zeitungsleser angeboten werden. Der nichts ahnende Tourist glaubt, dass er die Reise bei der seriösen Zeitung oder sogar seiner eigenen Firma bucht. Tatsächlich stecken diese drei Firmen dahinter.

Wer dabei an Einkaufsfahrten nach Tschechien oder Ungarn denkt, irrt nicht. Der Ursprung dieser „Teppichbetrügereien" in der Türkei stammt aus den 90er-Jahren, als ein ehemaliger ostdeutscher Stasi-Agent und ein deutscher Kaffeefahrten-Veranstalter gemeinsame Sache machten. Zunächst wurden in der Türkei 50-Euro-Matratzen um umgerechnet 900 Euro an den Mann und die Frau gebracht. Als Verbraucherschützer davor warnten, wurde auf Teppiche, Lederwaren und Schmuck umgestellt. Vor diesen Reisen sind bisher nur vereinzelte Warnungen zu finden.

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