Brandsteidl: "Wünsche mir mehr Durchgriffsrecht"
Von Ute Brühl
Was kann und muss sich in den Schulen ändern? Diese Frage beschäftigt derzeit das Land. Im Interview bezieht Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl Stellung.
KURIER: Wissen Sie, wie viele Migranten in der Volksschulklasse Ihres Sohnes waren?
Susanne Brandsteidl: Das weiß ich nicht mehr . Er ging in die Josefstadt. Dort liegt der Anteil der Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, bei 35 bis 50 Prozent.
Verstehen Sie Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind in einer "Migrantenklasse" sitzt ?
Nicht wirklich. Dass Kinder Deutsch nicht als Muttersprache haben, heißt nicht, dass sie nicht Deutsch können. Fakt ist: 49,5 Prozent der Wiener Volksschüler sind Migranten, was positiv ist. Die Kinder beherrschen meist ihre Muttersprache und Deutsch. Wir müssen jedenfalls alles tun, dass Kinder die Sprache so lernen, dass sie dem Unterricht folgen können.
Was passiert, wenn sie das nicht können?
Dann lernen sie Deutsch in den "Neu in Wien"-Kursen. Dass ein österreichisches Kind in einer Klasse unter Migranten isoliert ist, entspricht nicht der Realität.
Österreicher meiden Schulen mit vielen Migranten.
Wir haben nun einmal die Kinder, die wir haben. Die müssen in die Schule gehen. Aus. Mehr Sorgen machen mir Kinder, die mit 13 nach Österreich kommen, nicht lesen können und noch nie eine Schere in der Hand gehabt haben. 300 solcher Schüler haben wir im Jahr. Für die ist ein Pflichtschulabschluss schwierig. Diese Seiteneinsteiger sind das Problem. Die Lösung: Wir brauchen die Ganztagsschule – flächendeckend.
Gibt es dafür das nötige Personal und die Räume?
In den Pädagogischen Hochschulen werden Freizeitpädagogen ausgebildet, 280 waren es in diesem Semester. Diese haben neben den Lehrer in den Schulen zu sein. Auch neue Räume brauchen wir: Vor allem in innerstädtischen Gebäuden muss sich viel ändern. Neue Schulen wie der Campus Wien-Donaufeld sind schon nach dem Konzept der Ganztagsschule gebaut. Dort ist Platz für jedes Kind, für solche mit Behinderungen, mit Begabungen usw.
Hauptschulen sind oft Brennpunkte. Lehrer haben keine Zeit, Stoff zu vermitteln. Sie sind damit beschäftigt, dass Kinder nicht aneinander geraten und sich benehmen. Was läuft da schief?
Pünktlich sein, nicht hauen – das zu vermitteln, ist Aufgabe der Eltern. Doch manche schaffen das nicht. In der Hauptschule spitzen sich die Probleme zu, weil schwierige Kinder aus den Gymnasien hinaus selektiert werden. Da wäre das Konzept der Wiener Mittelschule besser, in die eine gesamte Volksschulklasse übertritt.
Jetzt haben wir die Hauptschulen aber noch.
Mein Ziel ist ein Unterstützungssystem. Wir haben lächerlich wenige Schulpsychologen – 26 in Wien für 220.000 Schüler. Und: Ein Schwerpunktthema ist das Schulschwänzen. Es ist die Aufgabe der Eltern, Kinder in die Schule zu bringen. Ja. Aber, wo Schule beginnt, soll alles in der Schule stattfinden. Eltern sind nicht für Mathe-Hausübungen zuständig, sondern fürs Liebhaben .
Kinder aus Brennpunktschulen können am Ende weder lesen noch rechnen. Einen Job werden sie kaum finden.
Das gilt nicht für alle. Für die erwähnten Grundkompetenzen sind aber Volksschulen zuständig. Wir überprüfen extern, was die Kinder dort lernen. Da möchte ich auch mehr Notenwahrheit. Und: Kinder, die nicht lesen können, müssen die 1. oder 2. Klasse wiederholen.
Thema: Schlechte Lehrer. Sind die Schulinspektoren zu lasch im Umgang mit ihnen?
Inspektoren zeigen auf, wo Lehrer weniger gute Arbeit leisten. Wir haben ausgewiesene Fälle, die amtsbekannt sind. Das Problem: Wir verlieren in Disziplinaroberkommission oder vor dem Arbeitsgericht jeden Fall. Als Schulbehörde würde ich mir mehr Durchgriffsmöglichkeiten wünschen.
Brauchen Schulen Autonomie?
Dort, wo es sinnvoll ist, ja: Stundenplan, räumliche Autonomie. Aber keine Personalhoheit. Die hieße, der Direktor haftet mit dem Vermögen, wenn es nach der Entlassung eines Lehrers zu einem Arbeitsprozess kommt.
Im Rahmen der Serie "Wir verbessern Österreich" berichtete der KURIER zwei Wochen zum Thema Bildung. Leser-Vorschläge lesen Sie am Dienstag im KURIER.
Schwerpunkt in den nächsten Wochen: Korruption.