Zwischen Freude, Pomp und Stille: Wie der 8. Mai gefeiert wird
Von Peter Temel
Österreich gedenkt wie viele andere Staaten in Europa am 8. Mai der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa. Am 8. Mai 1945 hatte die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert.
Dieses Jahr wird der Tag mit einem Festakt im Bundeskanzleramt und dem "Fest der Freude", das seit dem Jahr 2013 vom Mauthausen Komitee Österreich veranstaltet wird, am Wiener Heldenplatz begangen. Aus diesem Anlass spielen die Wiener Symphoniker alljährlich ein Gratiskonzert, das 2015 erstmals live im Fernsehen übertragen wurde.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs wird in vielen Ländern auf recht unterschiedliche Weise begangen. Im Folgenden ein Überblick:
Russland feiert das Kriegsende jedes Jahr mit viel Pomp. Ist der Tag des Sieges über Nazi-Deutschland im "Großen Vaterländischen Krieg" doch der wichtigste Feiertag des Landes. Traditionell finden wie schon in Sowjetzeiten am 9. Mai große Militärparaden im ganzen Land statt. Zehntausende Soldaten marschieren jedes Jahr unter den Augen von Staatsgästen und Weltkriegsveteranen über den Roten Platz in Moskau. Dieses Jahr wird der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu anwesend sein. Die Moskauer Parade zum 70. Jahrestag des Kriegsendes 2015 war eine der größten in der Geschichte Russlands mit rund 16.000 Soldaten und rund 200 Einheiten Kriegstechnik.
Russland und andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion feiern das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 9. Mai - im Gegensatz zu den westlichen Alliierten. Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel als Befehlshaber der Wehrmacht unterzeichnete die Kapitulationsurkunde am 9. Mai - kurz nach Mitternacht. Vorgesehen war die Zeremonie für den 8. Mai. Aber ein Streit über die russische Fassung verzögerte den Akt. Insgesamt bestätigten deutsche und alliierte Offiziere die bedingungslose Kapitulation Hitler-Deutschlands zweimal mit ihren Unterschriften: am 7. Mai im französischen Reims und in der Nacht auf 9. in Berlin-Karlshorst. Der Beginn der Waffenruhe war bereits in Reims auf den 8. Mai um 23.00 Uhr MEZ festgelegt worden. In Moskau war es durch den Zeitunterschied schon 1.00 Uhr - am 9. Mai.
Ukraine: Als Zeichen ihrer Annäherung an die EU hat die Ukraine im Jahr 2015 erstmals den 8. Mai als Gedenktag eingeführt. Aber auch der 9. Mai bleibt wie bisher ein Feiertag. Mit der neuen Praxis soll "auf würdige Weise der Verdienste des ukrainischen Volkes in der Anti-Hitler-Koalition gedacht werden", sagte Präsident Petro Poroschenko 2015. Wegen des Konflikts mit Russland verzichtet Kiew derzeit auf Militärparaden, während auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim mit jährlich wachsendem Aufwand paradiert wird - natürlich am 9. Mai.
Polen feierte anlässlich des 70. Jahrestags im Jahr 2015 den "Tag des Sieges" erstmals schon am 8. Mai. Gleichzeitig wurde der bisherige Feiertag am 9. Mai zur Erinnerung an den Sieg über Hitler-Deutschland gestrichen. Dieser Gedenktag war noch ein Überbleibsel aus kommunistischen Zeiten, als Polen den Sieg über den Nationalsozialismus wie in der Sowjetunion am 9. Mai beging. Gängige Meinung vieler Polen ist heute, dass das Land damals von einem totalitären System ins nächste gewechselt ist.
Frankreich: Als "Fest des Sieges" ist der 8. Mai in Frankreich ein Feiertag. Landesweit gibt es Gedenkfeiern. Die Zeremonie in Paris ist so eingespielt wie bildgewaltig: Die Republikanische Garde eskortiert den Staatspräsidenten traditionell über die Champs Elysees zum Grab des unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen. Dabei stoppen sie an der Statue von Charles de Gaulle, der während des Krieges die französische Exilregierung führte. Zum großen Jubiläum 2015 wurde am 7. Mai auch die Unterschrift von Reims besonders gewürdigt.
Auch wenn der 8. Mai seit 1981 wieder ein staatlicher Feiertag ist, ist den Franzosen die Erinnerung an die „Libération“ (Befreiung) viel wichtiger als der Tag der deutschen Kapitulation. In Paris ist der 26. August 1944 unvergessen, als de Gaulle als Befreier die Champs-Elysées entlang zog.
In Großbritannien wird der 8. Mai als VE-Day („Victory in Europe“) gefeiert, aber nicht als offizieller Feiertag geführt. Nur 1995 wurde zum 50. Jahrestag eine Ausnahme gemacht und im ganzen Land frei gegeben. Am 15. August sind die Briten abermals zum Feiern aufgerufen. Dann jährt sich der „VJ-Day“, jener Tag, an dem Japan kapitulierte und der Krieg auch im Pazifik sein Ende fand. Eine größere landesweite Bedeutung hat der Remembrance Day, oder auch "Poppy Day", an dem jedes Jahr am 11. November des Endes des Ersten Weltkrieges gedacht wird. Mit "Poppies" sind die roten Mohnblumen gemeint, die von den Briten an diesem Tag stolz auf der Kleidung getragen werden.
USA: Anders als in Europa wird der 8. Mai in den USA nicht groß gefeiert. Für die Amerikaner endete der Krieg nicht im Mai, sondern mit der formellen Unterzeichnung der Kapitulation Japans am 2. September 1945. Nur kurz davor hatten die USA zwei Atombomben auf japanische Städte abgeworfen: am 6. August auf Hiroshima und am 9. August auf Nagasaki.
Seit dem 6. August 1947 gedenkt Japan in Hiroshima alljährlich der Opfer des Atombombenabwurfs mit einer großen Gedenkfeier. Im Friedensdenkmal-Park der Stadt wird genau um 8:15 Uhr, dem Zeitpunkt des Abwurfs, die Friedensglocke geschlagen.
Die Niederlande haben die Gedenkfeierlichkeiten bereits hinter sich. Man feiert jährlich am 5. Mai mit zahlreichen Veranstaltungen die Befreiung des Landes von der Nazi-Herrschaft im Jahr 1945 („Bevrijdingsdag“). Schon am Vorabend des staatlichen Feiertags wird mit zwei Schweigeminuten um 20 Uhr das "Nationale Dodenherdenking“ (deutsch: Nationales Totengedenken) begangen. Der 4. Mai ist der nationale Volkstrauertag für alle Kriegsopfer oder Gestorbenen seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
In Tschechien genießt der 8. Mai als "Tag des Sieges" (Den vítězství) einen hohen Stellenwert und ist im Bewusstsein der Menschen als arbeitsfreier Gedenk- und Feiertag fest verankert. Im ganzen Land werden Veranstaltungen zu Ehren der im Zweiten Weltkrieg gefallenen tschechischen Soldaten und der Opfer der deutschen Besatzung veranstaltet. Im Jubiläumsjahr 2015 wurde im tschechischen Pilsen ein sechstägiges "Fest der Freiheit" begangen
In Deutschland ist der 8. Mai keiner der großen Feier- oder Gedenktage. Lange Jahre wurde um eine korrekte historische Deutung zwischen Niederlage, Zusammenbruch, Stunde Null und Befreiung gerungen. Erst 1985 schaffte es der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede zum Kriegsende die heute gültige Deutung herzustellen: "Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft." Zum 70. Jahrestag wurde in Berlin eine Gedenkstunde im Bundestag abgehalten.
In der DDR wurde die "Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus" am 8. Mai gefeiert. Von 1950 bis 1966 war dieser Tag ein gesetzlicher Feiertag. Zum 30. Jahrestag des Kriegsendes wurde 1975 nach sowjetischem Vorbild der 9. Mai als "Tag des Sieges" zum arbeitsfreien Feiertag erklärt. 1985 wurde noch einmal der 8. Mai als offizieller Feiertag begangen.
Seit dem 8. März 2002 ist der 8. Mai im Land Mecklenburg-Vorpommern staatlicher Gedenktag, seit 2015 in Brandenburg offizieller Gedenktag. Beide Länder waren Teil des DDR-Regimes.
In Italien gilt der 25. April als „Tag der Befreiung“. Am 25. April 1945 floh der italienische Diktator und Hitler-Getreue Benito Mussolini mit seiner Geliebten Clara Petacci und einigen weiteren Personen vor den Alliierten aus dem Regierungssitz Salò am Gardasee. Dies gilt als Ende der Sozialrepublik Italien und des italienischen Faschismus. Der Tag hat in Italien einen ähnlichen Stellenwert wie die Festa della Repubblica am 2. September, an dem Staatsfeiertag wird der Einführung der Republik 1946 gedacht.