Politik/Ausland

Ziemlich kühle Kollegen

Einen Cowboyhut würde sich Chinas Staatschef Xi Jinping nie aufsetzen – ganz anders als einer seiner Vorgänger, Deng Xiaoping. Der große chinesische Reformer-Präsident hatte bei einem Rodeobesuch im Rahmen seiner ersten USA-Reise 1979 fröhlich mit dem Hut gewunken und damit die Herzen der Amerikaner erobert. Herzliche Gesten wie diese waren bei Xi Jinpings erstem Besuch im Weißen Haus in Washington gestern dagegen nicht zu erwarten. Stolz, getragen und selbstbewusst, wie es seinem Naturell entspricht, ließ sich Chinas Präsident empfangen, so, wie es einem der mächtigsten Männer der Welt zusteht: Mit militärischen Ehren und 21 Salutschüssen, mit einem gewaltigen Staatsbankett im Weißen Haus und jede Menge zeremoniellem Pomp und Protz.

Freundschaftliche Wärme kam dabei keine auf, zwischen Xi und seinem Gastgeber, US-Präsident Barack Obama. Die Beziehung zwischen den beiden Staatschefs gilt als kühl, ebenso wie die Stimmungslage zwischen den USA und China. Und das Vertrauen der beiden größten Volkswirtschaften der Welt ist weiter am Schwinden.

Einer der Gründe, warum Washington Peking misstraut, sind massive Hackerangriffe, für die die USA das rote Riesenreich verantwortlich machen. So etwa verschafften sich im Juni Cyber-Angreifer neben anderen persönlichen Daten von 22 Millionen Bediensteten der US-Bundespersonalbehörde OPM auch die Fingerabdrücke von 5,6 Millionen Beschäftigten. Aus Sicht Washingtons steht einwandfrei fest, dass Peking hinter diesem und einer Reihe weiterer Cyberangriffe steckt.

Selbst ein Opfer

In Peking weist man diese Vorwürfe stets empört zurück. Und auch Xi Jinping stellte erneut klar: Sein Land sei selbst Opfer von Hackerangriffen. Die Regierung in Peking werde sich "in keiner Form im kommerziellen Diebstahl engagieren".

Als Zeichen des guten Willens sollte gestern bekannt gegeben werden, dass sich China und die USA auf ein Abkommen einigen wollen. Demnach verpflichten sich die beiden Länder, nicht als Erstes einen Cyberangriff auf das andere zu starten. Stattdessen soll der Vertrag den Schutz vor Angriffen auf Banken, Mobiltelefonnetze, Kraftwerke und Krankenhäuser gewährleisten.

Schon am Donnerstagabend waren Obama und Xi, die einander schon mehrmals getroffen haben, zu einem privaten Abendessen im Weißen Haus zusammengekommen. Die heiklen Gesprächsthemen dürften ihnen dabei nicht ausgegangen sein.

So etwa beobachtet man in Washington mit Argusaugen, mit welcher Vehemenz China seine Territorialansprüche im Südchinesischen Meer verfolgt. Peking beansprucht dort ein riesiges Gebiet, das mehr als tausend Kilometer von seiner Küste entfernt liegt. Drei künstliche Inseln hat China zuletzt geschaffen. Neue Landmasse, so fürchten die USA, aber auch Chinas Nachbarstaaten, die der chinesischen Marine als neue militärische Außenposten dienen könnte. Hand in Hand damit gehen immer nationalistischere Töne. Immer schriller werden auch die anti-amerikanischen Wallungen.

Mit Sorge beobachtet man in den USA auch die Währungsmanipulationen der chinesischen Nationalbank. In mehreren Schritten ließ Peking zuletzt Ende August den Yuan abwerten – was in den USA viele Unternehmer ärgert: Eine schwächere Währung macht Produkte des Exportweltmeisters China im Ausland billiger. Gleichzeitig werden ausländische Erzeugnisse in China teurer.

Besser verstehen sich die beiden Staatschefs Obama und Xi in puncto Klimaschutz. Im November hatten Obama und Xi ihr Treffen in Peking genutzt, um überraschend gemeinsame Ziele zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen zu verkünden. Ab 2017 will China landesweit in den Handel mit CO2-Zertifikaten einsteigen, um den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu reduzieren. Das wurde am Freitag vor einer gemeinsamen Pressekonferenz von Staatspräsident Xi Jinping mit US-Präsident Barack Obama in Washington bekannt. Chinas Pläne umfassen Kraftwerke sowie auch besonders energieintensive Industrien wie Zement und Stahl.
China verursacht vor allem wegen seines starken Wirtschaftswachstums fast ein Drittel des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen. Auf Platz zwei liegen die USA.

Die Einführung eines Systems zum Emissionshandel in China soll Anreize für die Verringerung des Treibhausgasausstoßes in der Industrie der Volksrepublik setzen. Bisher hat Peking dies nur in Pilotprojekten getestet.

Lauschangriffe

Nach seinem Besuch in Washington reist Xi zur Generaldebatte der UN-Vollversammlung nach New York weiter. Und dort wird sich auch US-Präsident Obama wieder einfinden – dieses Mal aber nicht wie bisher im "Waldorf Astoria" logieren. Das Luxushaus ging im Vorjahr in chinesischen Besitz über. Und auch wenn es niemand aussprach, gilt es doch als offenes Geheimnis: Das Obama-Team fürchtete Lauschangriffe und wich ins Fünf-Sterne-Haus "New York Palace" aus. Das gehört einer Kette aus Südkorea – bekanntlich nicht die besten Freunde Chinas.