Hengste on Tour: Wiens Lipizzaner tänzeln wieder in London
Von Anna-Maria Bauer
Madonna war acht Mal hier; Abba hat sechs ausverkaufte Konzerte in dieser Arena gegeben und Tina Turner sogar 25 Mal vor diesen Rängen gesungen. Doch der süße Geruch von Sägespänen beim Betreten der Wembley Arena macht klar, dass dieses Wochenende eine andere Höchstleistung geboten wird.
Noch sind die Ränge leer, als Donnerstagmittag ein kräftiger Marsch einsetzt, zu dem sich der schwarze Vorhang am Ende der Arena teilt, um die Stars einzulassen: In Gleichschritt schweben acht Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule in die Halle. Ihre Bereiterinnen und Bereiter sitzen so leicht und doch fest im Sattel, dass sie mit den Tieren verschmolzen scheinen. Ohne sichtbares Zeichen teilt sich die Gruppe, findet wieder zusammen, hält den Rhythmus, den Gleichschritt.
Am Rand der Arena steht Alfred Hudler, nickt ab und zu, lässt die acht Bereiterinnen und Bereiter nicht aus den Augen. Der Geschäftsführer der Spanischen Hofreitschule möchte sichergehen, dass für die Premiere Freitagabend alles bereit ist. Das erste Mal seit acht Jahren werden die weißen Hengste aus Wien ihre Routinen wieder einem englischen Publikum bieten.
Dann wird auch ein besonderer Gast die Show verfolgen: Prinzessin Anne hat mehrere Shows in Wien besucht, einmal sogar eine Reitstunde auf einem Lipizzaner erhalten und die Einladung freudig angenommen. Sie ist dabei nicht der einzige Lipizzaner-Fan aus der englischen Königsfamilie. Auch Königin Camilla war im Zuge ihrer Europatour 2017 Gast. Und die frühere Königin Elizabeth war von der 459-jährigen Reittradition so begeistert, dass sie bei ihrer einzigen offiziellen Österreich-Tour 1969, nicht nur die Hofreitschule in Wien, sondern auch das Lipizzanergestüt in Piber besucht hat.
Luxuriöser Transport
Für die englische Tournee haben die 28 Pferde Wien bereits am Sonntag in Spezialtransportern verlassen. „Die Transporter“, erklärt Alfred Hudler, „sind luftgefedert, klimatisiert und mit Überwachungskameras ausgestattet, damit wir während der ganzen Fahrt ein Auge auf sie haben können.“ Mit einem zehnstündigen Zwischenstopp in Deutschland ging es nach Calais und von dort mit der Fähre über den Ärmelkanal.
Am Dienstag erreichten die Hengste ihr zwischenzeitliches Zuhause. Seitdem stellt Stallmeister Andreas Haipl vor allem sicher, dass sie sich in den Pausen entspannen können. Die etwas temperamentvolleren Hengste wurden in einer Box im ruhigeren Teil einquartiert. Leckerlis in Form von Karotten, Äpfeln und dem ein oder anderen Zuckerstück stehen bereit.
Eine Karotte bekommt Conversano Samira von seinem Bereiter Helmut Oberhauser zugesteckt. Samira ist zwar eines von drei Pferden, mit denen er Lektionen präsentieren wird, und doch ist er besonders im Fokus. „Er ist das erste Mal auf Tournee“, sagt Oberhauser. „Er kennt bis jetzt nur das Publikum in der Wiener Reithalle.“ Ein bisschen aufgeregt ist Oberhauser also schon. Und auch beim Hofreitschulen-Chef schwingt die Anspannung mit. Aber dann, weiß Alfred Hudler aus seiner Zeit als Handballspieler: „Ein bisschen Adrenalin hilft, um zur Bestform zu kommen.“