Politik/Ausland

„Wiedervereinigung wäre die Lösung“

„Eine smarte Grenze, das ist ein dummer Vorschlag“, wehrt Martina Anderson Pläne der britischen Regierung für die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland barsch ab. „Auch dafür bräuchte man Infrastruktur, müsste Kontrollen machen, und Leute müssten sich registrieren lassen, damit man feststellen kann, wer über die Grenze geht.“ Davon aber will die resolute nordirische EU-Abgeordnete (Sinn Fein) nichts wissen. Brexit, hin oder her, nichts darf schlechter werden im Verhältnis zwischen dem zum EU-austrittswilligen Großbritannien zählenden Nordirland und den Iren im Süden der Insel, verlangt die 55-jährige Nordirin im KURIER-Gespräch.

Mit ihrer Forderung nach einem Sonder status für Nordirland hat Martina Anderson die EU bei deren Verhandlungen mit London hinter sich: Die Nordirland-Frage, das ist der größte ungelöste Brocken bei den sonst weit gediehenen Scheidungsgesprächen mit dem Vereinigten Königreich. Deshalb hat die EU-Kommission im Austrittsvertrag eine „Notlösung“ fixiert: Sie tritt automatisch in Kraft, falls London keine bessere Version präsentiert.

Dieser „Plan B“ fällt durchaus zur Zufriedenheit Andersons aus: Alles bleibt beim Alten, Nordirland im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion und die Grenze damit nicht exis tent, während der Rest Großbritanniens die EU verlassen wird. Vor zwei Wochen noch hatte Theresa May getobt: „Nie wird ein britischer Premierminister so etwas absegnen.“ Was Martina Anderson trocken kommentiert: „Hat sie doch schon, im vergangenen Dezember. Hat sie damals etwa geschlafen?“ Diese Woche hat London die ungeliebte „Notlö sung“ abermals abgenickt.

Damit aber würde Nordirland nach dem Brexit ein gutes Stück vom Vereinigten Königreich abrücken. Und Martina Anderson kann ein Lächeln nicht unterdrücken: „Ja, die Briten haben einen Prozess ausgelöst, den sie nicht länger kontrollieren können“, sagt sie zum KURIER. Und gäbe es noch einen anderen Weg für Nordirland? „Die einzig andere Lösung wäre, das Land zu vereinen“, antwortet Anderson ohne zu zögern.

Lebenstraum Wiedervereinigung

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Wegen „Verschwörung zu Bombenanschlägen“ war die damals blutjunge IRA-Sympathisantin 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Friedensabkommen für Nord irland 1998 bescherte ihr Amnestie. Die letztlich 13 Jahre in britischer Haft veränderten die Wahl ihrer Mittel, nicht aber ihr Ziel: Ihr Lebenstraum, sagt Anderson, sei die Wiedervereinigung der irischen Insel. Bestätigt sieht sie sich in jüngsten Meinungsumfragen: Zum ersten Mal ergaben Befragungen im Süden wie auch im Norden der irischen Insel eine Mehrheit für die Wiedervereinigung.

Als zweitjüngste von sechs Schwestern und drei Brüdern wuchs die Tochter einer katholischen Mutter und eines protestantischen Vaters in unruhigen Zeiten auf: „Ständig wurden wir von britischen Soldaten angehalten, unser Auto wurde gefilzt, immer Schlangen an den Grenzen. Keine Chance, dass die Menschen Nordirlands zulassen werden, dass so etwas wieder passiert. “

23.000 Menschen überqueren derzeit täglich die Grenze. Gleichzeitig aber steigen auch die Anträge der Nordiren für irische Pässe. „Und das sogar unter den Unionisten“, erzählt Anderson, also auch unter jenen Briten, die Nordirland beim Vereinigten Königreich halten wollen. „Die Nachfrage ist so stark, dass den Postämtern die Formulare ausgegangen sind.“