Politik/Ausland

Wer in Ungarn Hakenkreuz trägt, kommt ungestraft davon

Wenn es das Parlament nicht schafft, in den nächsten zwei Monaten ein neues Gesetz zu verabschieden, dann haben wir hier Narrenfreiheit“, befürchtet Laszlo P. Der Budapester Pensionist sieht sie schon vor seinem geistigen Auge durch die Stadt ziehen, – „die einen, die sich wieder einen Roten Stern anstecken, und die anderen, die sich irgendwelche SS-Embleme umhängen.“

Für den früheren Beamten kam das jüngste Urteil des ungarischen Verfassungsgerichtes überraschend, wie er dem KURIER erzählt. Für die Politik wohl auch: Keine öffentliche Stellungnahme war bis Mittwochabend zu hören. Dabei steht die Politik des Landes nun unter gewaltigem Zeitdruck. Nur noch bis Ende April ist es in Ungarn verboten, „Symbole der Willkürherrschaft“ zu tragen – dazu gehören Hakenkreuz und SS-Symbole ebenso wie Roter Stern oder Hammer und Sichel. Dann muss dieses seit zwanzig Jahren geltende Verbot gekippt werden, gibt das Verfassungsgericht vor. Laut seinem Urteil „verletzt es die Freiheit der Meinungsäußerung“.

In der knappen Zeitspanne von zwei Monaten müsste Ungarns Parlament deshalb ein neues Gesetz beschließen, das das Tragen von Hakenkreuzen unmöglich macht, ohne die Meinungsfreiheit im Land einzuschränken. Andernfalls geht straffrei aus, wer eine Fahne mit SS-Totenköpfen schwingt oder mit Hammer-und-Sichel-T-Shirts für den Kommunismus wirbt.

Rechtsextreme

Sorgen bereitet den Ungarn das Urteil des Verfassungsgerichtes vor allem im Hinblick auf die extrem rechten Gruppen im Land. Einige von ihnen gelten als noch radikaler als die rechtsextreme Jobbik-Partei. Sie könnten sich mit allem, was bisher an Nazi-Symbolen verboten war, wieder deutlicher in der Öffentlichkeit zeigen.

Den Anstoß für den Gerichtsentscheid hatte allerdings kein Rechts-Extremist, sondern der kommunistische Politiker Attila Vajnaj gegeben. Dieser war 2007 zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er stets den Roten Stern trug. Vajnaj aber, der die Gleichstellung der kommunistischen Symbole mit jenen des Nazi-Terrors nicht hinnehmen wollte, ging an den Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg – und gewann. Zurück in Ungarn rief der überzeugte Kommunist daraufhin das Verfassungsgericht an.

Kein EU-weites Verbot

EU-weit gibt es nur wenige Länder – Österreich und Deutschland –, die Hakenkreuze und alle anderen Nazi-Symbole explizit verbieten. Versuche, in der gesamten Union ein Verbot durchzusetzen, scheiterten vor acht Jahren.

Widerstand kam dabei vor allem aus Großbritannien. Das lag allerdings weniger an Befürchtungen, die Meinungsfreiheit einzuschränken als an der großen Hindu-Gemeinde im Land. „Das Hakenkreuz ist das zweitheiligste religiöse Symbol in der Hindutradition. Es wurde nur von den Nazis missbraucht“, argumentiert Ramesh Kallidai, Sprecher der britischen Hindus.