Politik/Ausland

Wenn es der Minister will, ist auch Hühnerfleisch steuerfrei

Drei Zentimeter Asphalt, wer würde dahinter schon ein gutes Geschäft vermuten. Wenn sich aber diese drei Zentimeter über mehr als 100 Kilometer erstrecken, läppert sich schon eine beträchtliche Summe zusammen.

Und diese Summe ist erst kürzlich in der Tasche eines bosnischen Bauunternehmers verschwunden, einem mit besten Kontakten zur Regionalregierung in der bosnisch-kroatischen Föderation. Der hatte dank dieser Kontakte den Auftrag für ein Autobahnstück an Land gezogen – und um seinen Gewinn ein bisschen aufzufetten, ließ er drei Zentimeter Asphalt einfach weg. Die Behörde schaute solange weg, bis die zu dünn geratene Autobahn an unzähligen Stellen einzubrechen begann.

Eine von unzähligen Affären, die Aufdecker-Journalist Mahir Sahinovic in den vergangenen Jahren beschäftigt haben. Als Reporter beim Zentrum für investigativen Journalismus in Sarajevo (CFIJ), einer unabhängigen durch internationale Förderung finanzierten Einrichtung, befasst er sich mit der Korruption in seinem Heimatland – und die ist für ihn im politischen System begründet: "Durch die strikte ethnische Teilung des Landes, wird die Politik von nationalistischen Clans dominiert – und deren Chefs bedienen nur ihre Günstlinge."

Ohne Korruption funktioniert in Bosnien gar nichts. Ob man nun den Arzt im Spital zahlt, damit man einen Behandlungstermin bekommt, oder den Polizisten, damit man einer Anzeige entkommt. Und das Ausmaß dieser Korruption wird immer bizarrer, je höher jemand in der politischen Elite des Landes angesiedelt ist. Vor den Augen der Internationalen Staatengemeinschaft und der EU, die in Bosnien Milliarden an Hilfsgeldern investiert hat, bricht diese politische Elite nicht nur willkürlich das Gesetz, sie schreibt es auch nach Belieben in ihrem Sinne um.

So hat ein Unternehmer, der Hühnerfleisch importiert, beim befreundeten Minister für Landwirtschaft erwirkt, dass seine Ware per Erlass steuerfrei gestellt wurde. Dank Sahinovics Recherchen kam die Affäre schließlich vor Gericht – und dort steckt sie bis heute fest. Denn, so schildert es der Reporter, auf einmal seien während des Verfahrens Akten und damit Beweise verschwunden.

Verschwundene Akten, plötzliche Krankheit, dringende öffentliche Pflichten, bei den Oligarchen, die in Bosnien herrschten, fände sich immer ein Grund, um sie vor Gefängnis zu bewahren.

Für Sahinovic ist Korruption der Hauptgrund, warum das Land seit Jahren nicht von der Stelle kommt: "Wenn jeder öffentliche Auftrag, aber auch jede Stelle nur über persönliche Beziehungen vergeben wird, wo bleibt der Anreiz sich zu engagieren?"