Warum das "Kalifat" geschrumpft, der IS aber nicht am Ende ist
Von Stefan Schocher
Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) liegt in den letzten Zügen – seit geraumer Zeit. Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump angekündigt, kommende Woche den Sieg über die Miliz zu verkünden. Schon davor hatte er einmal den Sieg über die Miliz erklärt. Aber auf dem Schlachtfeld tut sich wenig. Zwar hält der IS nur mehr eine kleine Siedlung am Ostufer des Euphrats nahe der Grenze zum Irak sowie ein von der syrischen Armee eingekesseltes Wüstengebiet westlich davon – nur an diesen Gebieten beißen sich die Gegner des IS seit Monaten die Zähne aus.
Für die USA scheint ein Abzug ihrer 2000 Soldaten aus Syrien dennoch festzustehen. Bis April sollen alle Soldaten aus Syrien abgezogen werden. Bereits im März würde der Großteil der Truppen aus dem Land gebracht, berichtete das Wall Street Journal.
Seit der Ankündigung des US-Truppenabzugs im Dezember hatten die US-Verbündeten in Syrien jedenfalls anderes zu tun, als sich um die letzten Widerstandsnester des IS zu kümmern. Die Allianz der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) richtete ihre Aufmerksamkeit viel eher auf den US-NATO-Alliierten Türkei – der einen Einmarsch angedroht hatte. Und das kam dem IS durchaus zugute, zumindest haben sich Offensiven der SDF massiv verlangsamt.
Klassische Terrortaktik
Tatsache aber ist: Von dem einstigen „Kalifat“ des IS, das sich von der türkischen Grenze bis nahezu Bagdad erstreckte, ist kaum etwas geblieben. „Weniger als ein Prozent“ halte der IS noch, so Generalmajor Christopher Ghika, Vize-Kommandant des US-geführten Militärbündnisses. Derzeit, so berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, verhandle die westliche Anti-IS-Koalition mit den eingekesselten Extremisten über eine Kapitulation. Denn ausgegangen wird davon, dass sich die IS-Kämpfer in den noch gehaltenen Gebieten massiv verschanzt, Sprengfallen gelegt oder sogar weitläufige Tunnelsysteme gegraben haben .
Außerhalb seiner verbliebenen Kerngebiete greift der IS indes zunehmend auf klassische Terror-Taktiken zurück: Entführungen, Anschläge, Attentate. Das vor allem im Irak, wo weite Wüstengebiete nach wie vor als Hochrisikogebiete gelten, in denen der irakische Staat zwar präsent ist, aber nur mühevoll die Oberhand behält.
Und was die SDF jetzt in umgekehrter Art und Weise sehen: Das gewaltige Mobilisierungspotenzial des IS. Tausende Kämpfer, die aus dem Ausland nach Syrien gekommen waren, versuchen jetzt zu fliehen oder unterzutauchen. Mehr als 1000 ehemalige IS-Kämpfer sitzen in Gefängnissen unter Kontrolle der SDF – darunter viele aus Westeuropa, deren Heimatländer wenig Appetit auf eine Rücknahme zeigen. Wie viele durchs Netz gehen, ist nicht bekannt.