Schulz mit Tränen, Keller ohne Humor
Von Evelyn Peternel
Warum sollen wir uns von Brüssel regieren lassen?", wollte Hanno Settele diesmal wissen – und zwar nicht von den österreichischen Spitzenkandidaten, sondern von zwei Deutschen. Martin Schulz, derzeit Präsident des EU-Parlaments und Nummer eins auf der Wahlliste der Europäischen Sozialdemokraten, und Ska Keller, in der DDR geborene, erst 32 Jahre junge Spitzenfrau der Grünen, nahmen in der ersten Ausgabe der „Wahlfahrt“ in seinem Mercedes aus dem Jahre 1978 Platz.
Sie sind die einzigen beiden Spitzenkandidaten, die neben Settele die EU erklären dürfen - Juncker, Verhofstadt oder Tsipras sind nicht mit von der Partie. Wer weiß, vielleicht bereuen sie es: Denn die Vorlage, die die Kandidaten in der ersten Auflage des Formates abgeliefert haben, ist recht beachtlich.
"Gurkenkrümmung? Gibt‘s nicht"
Der rote Spitzenkandidat fühlte sich sichtlich wohl auf dem Beifahrersitz neben Settele, lieferte Bonmots neben ernsthaften Inhalten, telefonierte ohne viel Aufhebens vor der Kamera – mit einem Gurken-ähnlichen Handy, Baujahr 1999 („die Technologie ist so alt, die ist abhörsicher“). Bei der Pause am Rastplatz versuchte er sich im Österreichisch-Sein, und das mit mehr Charme, als man einem Deutschen zutrauen möchte: „Liebe Österreicher, hiermit verspreche ich Euch: Das Taschenfeitl wird zum Schneiden der Paradeiser behaltn“, so seine kleine Wahlkampfrede vor Kantwurst und Klappmesser („wenn des der Swoboda sieht!").
Taschenfeitl, Teil 2
Die Grüne zeigte sich im Vergleich zu Schulz deutlich humorbefreiter. Auch bei der leicht süffisanten Frage Setteles nach dem Online-Wahlmodus der Grünen – „Sie haben als Spitzenkandidatin etwa 12.000 Stimmen bekommen, ich als "Fufteljournalist" hab allein auf Twitter 18.000 Follower“ – reagierte sich mehr verhärmt als mit Witz. „Man muss mal was probieren“, sagte die 32-Jährige trocken. Und die Frage, wieso sie sich sechs Mitarbeiter leiste, quittierte sie gar mit einem Kopfschütteln – und der Gegenfrage, wie ein Nationalratsabgeordneter die Arbeit mit nur einem Helfer schaffe.
Allein, beim Musik-Ratequiz bewies sie Hang zum Humor: Udo Jürgens' "Merci" erkannte sie zwar nur mit Schielen auf die Liederliste, danach wollte sie’s aber wissen: "Damit hat Österreich den Song Contest gewonnen?!" Schulz stellte sich auch beim musikalischen Teil deutlich besser an – das kölsche Lied „En unserem Veedel“ aus seiner Heimat brachte ihn zum Singen und zum Weinen zeitgleich.
Fazit: Viele Sympathiepunkte für den SPDler, deutlich weniger für seine Grüne Konkurrentin. Die meisten Sympathiepunkte gehen jedoch an Hanno Settele und das gelungene Format.
Noch knapp drei Wochen, dann wird gewählt. Aber wer soll´s werden? Der grinsende Herr links oder der lächelnde Mann auf der rechten Seite? Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz, haben in Österreich noch viel Überzeugungsarbeit vor sich. Einer am heutigen Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) zufolge sprechen sich nur 32 Prozent für einen der beiden Kandidaten aus. Juncker (18 Prozent) liegt dabei vor Schulz (14 Prozent).
"Dass der Wahlausgang diesmal über den nächsten Kommissionspräsidenten entscheidet, ist hierzulande noch nicht ausreichend gesickert", kommentiert ÖGfE-Leiter Paul Schmidt das zwei Wochen vor der Europawahl veröffentlichte Ergebnis. 31 Prozent der Befragten hätten gar angegeben, die Namen Juncker und Schulz nicht zu kennen. 22 Prozent antworteten, keinen der beiden als künftigen EU-Kommissionspräsidenten sehen zu wollen. 15 Prozent der Befragten hätten sich nicht geäußert.
Unwissenheit und Ansporn
Allerdings sehen 22 Prozent der Befragten das Match um den nächsten EU-Kommissionspräsidenten als zusätzliche Motivation, an den Europawahlen am 25. Mai teilzunehmen. Heuer haben sich die großen Fraktionen im Europaparlament erstmals auf europaweite Spitzenkandidaten verständigt, die den Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten stellen. Der Leiter der Brüsseler Behörde wird vom Europaparlament gewählt, allerdings auf Vorschlag der EU-Staats- und Regierungschefs. Diese müssen bei ihrem Vorschlag aber den Ausgang der Europawahl berücksichtigen. In den Umfragen liefern sich derzeit Junckers konservative Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten (SPE) von Schulz ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Die Umfrage wurde von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) im April an 558 Personen telefonisch durchgeführt. Die Schwankungsbreite beträgt etwa 4,2 Prozent.
Was hat es mit der EU-Wahl auf sich? Hier gibt es Aufklärung.