Waffenexperte: "Zerstörung vorerst unmöglich"
Österreich hat angeboten, Chemiewaffenexperten nach Syrien zu entsenden. Einer der erfahrensten ist Major Dieter Rothbacher. Er ist seit mehr als 20 Jahren in dem Bereich tätig. Er war unter anderem im Irak für die C-Waffen-Zerstörung unter UN-Mandat zuständig und mehrere Jahre bei der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) verantwortlich für die Ausbildung von Waffeninspekteuren. Darunter auch einige aus jenem UN-Team, das gerade aus Syrien zurückgekommen ist und voraussichtlich am Montag seinen Bericht veröffentlichen wird. Dem KURIER erklärte Rothbacher, wie eine Zerstörungsmission in Syrien aussehen könnte.
KURIER: Wie sieht so ein Einsatz aus? Wann kann damit begonnen werden?
Dieter Rothbacher: Zunächst hängt es davon ab, ob es zu einem UN-Sicherheitsratsbeschluss kommt. Das wird von etlichen Staaten propagiert. Die zweite Möglichkeit ist, dass Syrien die Chemiewaffenkonvention ratifiziert und sich damit deren Auflagen unterwirft – darunter fallen auch die Inspektionen. Letzteres würde viel länger dauern. Schneller würde es mit einem Sicherheitsratsbeschluss gehen. Die Inspektoren würden sich im UN-Rahmen bewegen und daher freier sein.
Was ist der nächste Schritt?
Der Sicherheitsratsbeschluss. Dann stellt man ein UN-Team zusammen, mit dem Rückgrat der OPCW, so wie es bei der gerade beendeten Syrien-Mission war. Dieses Team soll die Erstinspektionen von Lagerstätten, Produktionsanlagen und Forschungsstätten durchführen, basierend auf den Angaben des syrischen Regimes.
Kann man sich denn auf die Angaben des Regimes verlassen?
Man muss. Die Angaben, die man jetzt hat, sind sicher nicht ausreichend. Lager könnten zum Beispiel verlegt worden sein. Man braucht sicher Angaben der Syrer, wo was genau gelagert ist. Welche Munitionsart? Welche Kampfstoffart? Welche Behältnisse? Ohne logistische und sicherheitstechnische Unterstützung vor Ort wird es nicht gehen. Aber muss man überprüfen, ob die Angaben übereinstimmen mit dem, was man schon weiß und mit Daten und Fakten, die man vor Ort findet. Ich würde das nicht als „Vertrauen“ aufs Regime bezeichnen, aber irgendwo muss man ja anfangen. Das war im Irak nicht anders.
Wie sieht so ein Team aus?
Es besteht aus Leuten mit militärischem Hintergrund, ABC-Abwehr und Munitionstechnik. Aber auch aus Chemikern, Sanitätern und Ärzten – also vielen Zivilisten. Das Training dauert acht bis 20 Wochen. Dabei wird Praktisches, wie Schutzausrüstung, Entgiftungsmaßnahmen gelernt, aber auch die C-Waffenkonvention. Also die „Spielregeln“: Was gehört zerstört und warum? Selbstverteidigung wird nicht unterrichtet. Es gibt aber von der UN Ausbildungen, in denen das Verhalten in feindlichem Umfeld gelernt wird. Aber eine Zerstörungsmission mitten im Bürgerkrieg ist ohnehin kaum möglich. Inventur und Kontrolle schon, Zerstörung nicht. Laut US-Berechnungen müsste man dafür angeblich bis zu 75.000 Soldaten mitschicken.